Gesundheitsinformation im Internet

Es gibt über eine drei viertel Million medizinische Internetseiten auf Deutsch. In der Fülle an Informationen zu Gesundheit, Krankheiten und deren Behandlungen verlässliche Information von verzerrender oder gar falscher zu unterscheiden, ist oft schwer.  

Fallen im Netz

Das Internet ist für die Österreicherinnen/Österreich die Hauptinformationsquelle, wenn es um Gesundheitsthemen geht und zwar noch vor den Ärztinnen/Ärzten. 67 % der Userinnen/User recherchieren im Netz nach gesundheitsbezogenen Themen wie etwa Krankheiten, Vorsorge oder Ernährung. Frauen nutzen das Internet häufiger zu diesem Zweck als Männer (72 % der Frauen, 62 % der Männer).

Gerade Websites, die besonders gut auffindbare Internetadressen haben, werden oft von Pharmaunternehmen (mit)finanziert. Pharmagesponserte Seiten unterscheiden sich meist erheblich von Websites ohne Pharma-Beteiligung: Eine Studie, die Websites zum Thema „Schizophrenie" verglich, zeigte: Websites mit Pharmabeteiligung erwähnen deutlich häufiger den Schweregrad der Erkrankung sowie den Erfolg von medikamentöser Therapie. Sie berichten aber seltener als pharmaunabhängige Seiten über psychotherapeutische Möglichkeiten.

Unabhängige, evidenzbasierte und verständliche Informationen für BürgerInnen sind rar. Häufig sind irreführende Patienteninformationen zu finden, die zu folgenschweren Trugschlüssen führen können und den Konsumentinnen/Konsumenten schaden.

Kriterien guter Gesundheitsinformation

Gute Gesundheitsinformationen sind

  • unabhängig,
  • evidenzbasiert,
  • verständlich und relevant

Unabhängig: Das Gesundheitswesen ist nicht frei von ökonomischen Interessen. Pharmaindustrie, Medizintechnik- und Nahrungsmittelindustrie lassen gewaltige Summen ins Marketing fließen. Um ihre Produkte zu bewerben und zu verkaufen, wenden sie sich gerne direkt an die Konsumentinnen/Konsumenten, z.B. über das Internet und Social Media. Bedenklich daran ist, dass diese Texte oft nicht als Werbung zu erkennen sind, beispielsweise ist die gesetzlich verbotene Laienwerbung für verschreibungspflichtige Medikamente als solche nicht leicht zu identifizieren.

Evidenzbasiert: Gute Gesundheitsinformationen sind evidenzbasiert. Der Begriff Evidenz leitet sich aus dem Englischen evidence ab und bedeutet Nachweis. Evidenzbasierte Gesundheitsinformationen liefern wissenschaftlich belegte Aussagen zu Erkrankungen und den Möglichkeiten ihrer Untersuchung und Behandlung. Sie berücksichtigen die jeweils aktuell besten und aussagekräftigsten systematisch erhobenen Daten. Sie beziehen die Erfahrungen und Bedürfnisse betroffener Frauen und Männer ein. Außerdem weisen sie darauf hin, wenn es zu bestimmten Fragen keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse gibt.

Verständlich und relevant: Gute Gesundheitsinformationen sind verständlich geschrieben. Medizinische Fachbegriffe müssen erläutert oder allgemein verständlich übersetzt werden. Außerdem müssen die Informationen für Sie bedeutsam sein. Messwerte wie Cholesterin und Blutdruck allein reichen hier nicht aus. Wichtig sind Auskünfte darüber, wie sich Untersuchungen oder Behandlungen auf die Lebenserwartung und die Lebensqualität auswirken. Nur solche Informationen können Ihnen helfen, sich aus gutem Grund für oder gegen Untersuchungs- oder Therapiemethoden zu entscheiden, sei es für Sie selbst oder für Angehörige.

Sechs Fragen zur Bewertung einer Website

Wer steckt hinter der Seite?

Unabhängigkeit ist ein wichtiges Qualitätskriterium bei Gesundheitsinformationen. Deswegen sollten Sie zuerst nachprüfen, wer die Gesundheitsinformation anbietet. Sind die Autorinnen und Autoren mit Namen, Qualifikation und Institution angegeben? Oft findet man diese Hinweise im Bereich Wir über uns oder im Impressum.
Pharmafirmen, Medizintechnik- und Nahrungsmittelindustrie liefern oft keine unabhängigen Informationen. Vorsicht ist aber auch bei Selbsthilfe-, Fach- und Interessenverbänden angebracht, die von derartigen Firmen mit Geld unterstützt werden. Halten Sie nach Logos Ausschau oder nach der Formulierung „mit freundlicher Unterstützung von ...".
Auch Kontaktmöglichkeiten per Telefon oder E-Mail sollten vorhanden und leicht auffindbar sein.
Fehlen Hinweise auf Autorinnen/Autoren, Finanzierungsquellen und Kontaktmöglichkeiten völlig, oder sind sie nicht durchschaubar, sollten Sie jedenfalls wachsam sein

Ist die Information ausgewogen und umfassend?

Seien sie vorsichtig, wenn nur eine Behandlungsmethode beschrieben ist. In den allermeisten Fällen gibt es mehrere Handlungsmöglichkeiten, zwischen denen Sie wählen können. Eine neutrale und ausgewogene Informationsquelle gibt Auskunft über Handlungsalternativen und erklärt ihre Vor- und Nachteile. Die Wirksamkeit von Maßnahmen (zum Beispiel der Nutzen eines Medikaments, die Qualität von medizinischen Tests) und die Risiken und möglichen Nebenwirkungen sollten beschrieben sein. Gibt es zu bestimmten Fragestellungen noch keine wissenschaftliche Antwort oder ist sich die Forschung uneinig, sollte darauf ebenfalls hingewiesen werden. Außerdem sollten Sie darüber Auskunft bekommen, was passiert, wenn die Erkrankung unbehandelt bleibt. Eine umfassende Information bietet auch Auskunft darüber, wie sich verschiedene Behandlungen auf das tägliche Leben auswirken.

Finden Sie Zahlen als Belege?

Um die Wirksamkeit von Behandlungen einschätzen zu können, bieten Zahlen als Belege eine Hilfestellung. Was hinter einer Aussage wie: „Das Medikament reduziert Ihr Risiko um 30 Prozent", wirklich steckt, ist ohne Zusatzinformation nicht zu beurteilen. Relative Angaben wie diese eignen sich zum Einschätzen von Wirksamkeit und Risiken nämlich nicht.

Aussagekräftige Angaben sehen zum Beispiel so aus:
„Von 10 Frauen in den Wechseljahren mit Hitzewallungen, die Hormonpräparate einnehmen, haben nach drei bis sechs Monaten etwa 2 Frauen immer noch Hitzewallungen und etwa 8 Frauen keine Hitzewallungen mehr. Bei 5 dieser 10 Frauen hätten die Hitzewallungen auch ohne Behandlung aufgehört, bei 3 Frauen haben die Hitzewallungen durch die Hormonbehandlung aufgehört, 2 Frauen haben trotz Hormonbehandlung immer noch Hitzewallungen."

Derartige Informationen sollten auch für mögliche Nebenwirkungen angegeben sein. Bei Maßnahmen der Früherkennung (z.B. bei Mammografie oder PSA-Test) sollten Sie folgende Informationen erhalten: Wie viele Personen erhalten ein positives Testergebnis, obwohl sie gar nicht erkrankt sind? Wie viele erhalten ein negatives Testergebnis erhalten, obwohl sie erkrankt sind?
Ein Beispiel: „Von 1000 Personen mit einem positiven Testergebnis haben 100 tatsächlich Darmkrebs und 900 keinen Darmkrebs. Von 1000 Personen mit negativem Testergebnis hat eine Darmkrebs und 999 haben keinen Darmkrebs."

Worte statt Zahlen
Neben Zahlen können auch die persönlichen Erfahrungen von Frauen und Männern relevant sein, um Entscheidungen zu treffen. Bei Internetforen und Chats ist allerdings Vorsicht geboten! Denn hier wird die Information in der Regel nicht kontrolliert. Außerdem wissen Sie nicht, wer sich tatsächlich hinter den anonymen Chatnutzern verbirgt und welche Ziele sie verfolgen. Erfahrungen von Patientinnen/Patienten und Konsumentinnen/Konsumenten im Gesundheitswesen, die systematisch erhoben und veröffentlicht wurden, können dagegen eine wertvolle unterstützende Quelle für eine persönliche Entscheidung liefern. 

Gibt es Quellenangaben und sind diese verlässlich?

Stützt sich die Information auf wissenschaftliche Quellen und sind diese angegeben und überprüfbar? Aussagen über die Wirksamkeit bestimmter Therapien und deren Risiken, die Qualität von Diagnoseinstrumenten und ähnliches sollten immer mit Quellen, die Sie nachprüfen können, belegt sein.
Wird angegeben, auf welche Art von wissenschaftlicher Quelle sich die Information stützt? Wissenschaftliche Belege können von unterschiedlicher Stärke sein. Die größte Aussagekraft hat eine sogenannte systematische Übersichtsarbeit. In einer systematischen Übersichtsarbeit werden die vorhandenen Studien zu einer bestimmten Fragestellung systematisch recherchiert, kritisch bewertet und ihre Inhalte miteinander verglichen.
Überprüfen Sie, ob die Autorinnen/Autoren angeben, wie sie Informationen auswählen und erstellen. Um evidenzbasierte Gesundheitsinformationen zu erstellen, sind bestimmte Schritte notwendig. Lesen Sie mehr dazu auf der Seite des deutschen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Ist die Information aktuell?

Sie sollten Hinweise dazu finden können, wann die Information erstellt wurde. Es passiert nicht selten, dass Websites nicht mehr aktualisiert werden. Es kann also sein, dass Sie auf Informationen stoßen, die mittlerweile überaltert sind. Auch ein Blick auf das Erstelldatum der verwendeten Quellen lohnt sich.
Es gibt aber keine Faustregel, nach der Sie sich richten können. Vielmehr ist es sinnvoll, die Aktualität von Informationen, die Sie auf verschiedenen Websites erhalten, miteinander zu vergleichen.
Aktueller ist allerdings nicht automatisch besser. Es kommt auch darauf an, wie verlässlich die genannte Quelle ist. Eine ältere systematische Übersichtsarbeit (siehe Frage 4) kann eine verlässlichere Information liefern als die neueste Einzelstudie.

Wie wird mit persönlichen Daten umgegangen?
Anbieterinnen/Anbieter von Informationen können durchaus Interesse daran haben, personenbezogene Daten zu sammeln, etwa Adressen oder Informationen zu Krankheiten und Lebensstil. Sie können diese zum Beispiel für Werbezwecke verwenden oder an andere Firmen weiterverkaufen. Sollten persönliche Daten erfragt werden, müssen die AnbieterInnen Auskunft über den Umgang mit den Daten geben zum Beispiel in der Datenschutzerklärung auf der Website. Überlegen Sie gut, was Sie im Internet über sich mitteilen und passen Sie auf, dass Ihre Kontaktdaten nicht für Werbezwecke verwendet werden.

 Checklisten zum Bewerten von Gesundheitsinformationen

Folgende Checklisten können Sie zur Bewertung von Gesundheitsinformation anwenden. Die ersten drei eignen sich besonders für Konsumentinnen/Konsumenten, die vierte und umfassendere Checkliste bietet auch den ErstellerInnen von Gesundheitsinformation eine Anleitung.

  •  Die Checklisten der Techniker Krankenkasse und des IQTG (Institut für Qualität und Transparenz von Gesundheitsinformationen) umfassen eine Seite und beinhalten die wichtigsten Fragen, die sich Konsumentinnen/Konsumenten beim Bewerten von Gesundheitsinformationen stellen sollten.
  • Dies gilt auch für die Checkliste des Frauengesundheitszentrums.
  • Check-In ist eine von führenden deutschen Organisationen im Bereich der evidenzbasierten Medizin und Patienteninformation (unter anderem dem Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin - ÄZQ und dem Deutschen Cochrane Zentrum, entwickelte umfangreiche Checkliste. Sie kann auch Erstellervon Gesundheitsinformationen von Nutzen sein. Sie beruht auf dem DISCERN-Instrument zur Bewertung der methodischen Qualität von Gesundheitsinformation und dem AGREE-Instrument zur Bewertung der methodischen Qualität ärztliche Leitlinien. 

 Qualitätssiegel und Gütesiegel

Gütesiegel sollen Qualität gewährleisten und Transparenz schaffen und auf diese Weise die Sicherheit für KonsumentInnen von Gesundheitsinformationen im Netz erhöhen. Allerdings müssen Sie als Konsumentin/Konsumen wachsam sein, denn „Gütesiegel im Internet sind keine Garantie gegen illegale oder gesundheitsgefährdende Produkte und schützen nicht vor Irreführung ..." schreibt das deutsche Verbrauchermagazin Gute Pillen - Schlechte Pillen.

Kriterien für die Bewertung von Gütesiegeln sind laut der deutschen Verbraucher Initiative e.V. Anspruch (etwa über die Kriterien gesetzlicher Anforderungen hinauszugehen), Unabhängigkeit, Überprüfbarkeit und Transparenz.

Im Folgenden widmen wir uns Qualitätssiegeln, die Gesundheitsinformationen bewerten. Finden Sie Siegel wie den HON-Code, afgis oder das Medisuch Zertifikat auf einer Website, ist dies ein Anzeichen dafür, dass sich die Anbieterinnen und Anbieter der Information um Qualität bemühen und vertrauenswürdig informieren.

Allerdings ist es ratsam, die Inhalte der Website kritisch zu bewerten, auch wenn sie Qualitätssiegel trägt. Denn die Siegel beruhen auf formalen Qualitätskriterien, wie zum Beispiel Aktualisierung der Inhalte oder Offenlegung der Finanzierungsquellen und sagen nichts über die inhaltliche Richtigkeit der dargebotenen Information aus.

Welche Gütesiegel gibt es?

  • Enthält eine Website den HON-Code, verpflichtet sich der Betreiber, sich an einen ethischen Mindeststandard der Informationspräsentation zu halten und den Nutzern Datenquellen und Ziele der Information offenzulegen. Informationsanbietern beantragen den HON-Code bei der Schweizer Stiftung Health on the Net. Diese kontrolliert, ob die Website den Kriterien entspricht und unterzieht sie alle zwei Jahre einer systematischen Überprüfung.
  • Das afgis-Siegel ist im Gegensatz zum HON-Code kostenpflichtig. Es wird nach einer Prüfung vergeben und muss jährlich neu beantragt werden. Das Verfahren beruht darauf, dass die jeweiligen Anbieterinnen  und Anbieter Zusatzinformationen über sich und ihr Angebot zur Verfügung stellen. Mit einem Mausklick auf das Siegel-Logo gelangen Sie in eine Datenbank und bekommen Zugang zu den geprüften Detailangaben. 

Auch Websites, die von Pharmaunternehmen unterhalten werden, haben häufig Qualitätssiegel auf ihrer Website. Überprüft man die Kriterien, zeigen sich schnell die Grenzen der Siegel: So unterhält zum Beispiel ein Pharmakonzern eine deutsche Website zum Thema Depressionen, die mit HON-Code und afgis-Siegl zertifiziert ist. Zum afgis-Kriterium „Erfassung und Offenlegung von potentiellen Interessenkonflikten der Autoren" gibt der Konzern an: „An dem Angebot sind grundsätzlich keine Autoren beteiligt, die potentielle Interessenkonflikte aufweisen." Doch nach weiteren Recherchen zeigt sich, dass für die redaktionellen Inhalte eine Mitarbeiterin des Pharmaunternehmens selbst verantwortlich ist.

  • Anders beim Zertifikat Medisuch, das das IQTG (Institut für Qualität und Transparenz von Gesundheitsinformationen) kostenfrei vergibt: Hierfür verpflichten sich die Website-AnbieterInnen, dass die (pharmazeutische, medizintechnische oder Ernährungs-) Industrie weder direkt noch indirekt Einfluss auf die Inhalte ihrer Seiten nimmt. Medisuch ist gleichzeitig eine Suchmaschine für den Bereich Medizin und Gesundheit. Eingang finden InformationsanbieterInnen, die Inhalte unabhängig von Industrieinteressen anbieten. Das IQTG schlägt AnbieterInnen vor, die nach Meinung der Redaktion des IQTG den allgemeinen Anforderungen entsprechen.

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