Kein Rücktritts­recht bei Kauf von auf Wunsch gefer­tigten Waren

veröffentlicht am 05.11.2020

Die Ausnahme vom Rücktrittsrecht bei Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt sind, gilt unabhängig davon, ob das Unternehmen mit deren Herstellung begonnen hat oder nicht.

Menschen in einer Einkaufshalle, © Britt Gaiser on Unsplash
Auf dieser Website haben wir immer wieder über Urteile berichtet, die sich mit dem Rücktrittsrecht im Fernabsatz (z.B. Bestellung übers Internet) oder bei "außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen“ (z.B. an der Haustür) auseinandergesetzt haben (siehe unten). Das Rücktrittsrecht geht auf eine europäische Richtlinie zurück und war im Jahr 2014 daher von allen Mitgliedstaaten in nationales Recht zu übernehmen. Das bedeutet, dass Verbraucher/innen europaweit bei Vertragsabschlüssen im Internet, am Telefon oder an der Haustüre ein Rücktrittsrecht von 14 Tagen zusteht.

Klingt einfach, ist es aber in der Praxis oft nicht. Die Richtlinie und damit zwingend die nationalen Gesetze sehen zahlreiche – für Verbraucher/innen großteils unbekannte - Ausnahmen vor, die im Einzelfall letztlich dazu führen können, dass doch kein Rücktritt möglich ist. Der Ausnahmenkatalog hat schon viele Fragen aufgeworfen und sehr oft dazu geführt, dass der Europäische Gerichtshof befragt werden musste. 

Wie z.B. im vorliegenden Fall….

"Nach Kundenspezifikation angefertigt oder auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten"

Das EU-Recht sieht ausdrücklich eine Ausnahme vom Rücktrittsrecht für Waren vor, die nach "Spezifikation" des Kunden hergestellt oder auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten werden. Beim Kauf von speziell nach Kundenwunsch gefertigten Waren erlischt somit das 14-tägige Rücktrittsrecht in Verträgen, die online oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden.

Im konkreten Fall hatte eine Konsumentin auf einer gewerblichen Messe eine Einbauküche bestellt, und zwar mit einigen auf sie zugeschnittenen Veränderungen. Dann widerrief sie den Vertrag innerhalb der 14-Tage-Frist. Das Unternehmen lehnte den Rücktritt ab, berief sich auf die Ausnahme und klagte die Konsumentin auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung.

Im Zuge des Verfahrens stellte sich heraus, dass die spezifizierten Teile der  Küche vom Unternehmen zur Zeit der Widerrufsentscheidung der Konsumentin noch nicht zur Gänze angefertigt worden waren. Die bereits vorgefertigten Teile hätten sich ohne Einbußen für das Unternehmen zurückbauen lassen.

Das deutsche Amtsgericht Potsdam ersuchte den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Auslegung, ob diese Ausnahme auch dann greife, wenn mit der Produktion noch gar nicht begonnen wurde, beziehungsweise Änderungen leicht rückgängig gemacht werden könnten.

Zeitpunkt spielt keine Rolle

Dieser Umstand spiele letztlich keine Rolle, entschieden die EU-Richter. Die Ausnahme besteht ungeachtet, ob das Unternehmen mit der Herstellung der Ware und der Umsetzung der Spezialwünsche begonnen hat oder nicht. Die Ausnahme im EU-Recht diene dem Ziel, die Rechtssicherheit zu erhöhen. Außerdem seien Verbraucher/innen vor Abschluss eines Vertrags im Falle des Bestehens eines Rücktrittsrechts darüber und über die Bedingungen für seine Ausübung zu informieren bzw. in Fällen, in denen es kein Rücktrittsrecht gibt, darüber zu informieren, dass es keines gibt. Das Bestehen des Rücktrittrechts an ein zukünftiges Ereignis zu knüpfen, dessen Eintritt von der Entscheidung des Unternehmers abhängt, sei mit der Pflicht, vorvertraglich umfassend zu informieren, unvereinbar, so der EuGH in seiner Entscheidung.

Liegt überhaupt ein Vertrag vor, von den man zurücktreten kann?

Eine Frage ist, ob ein auf einer gewerblichen Messe geschlossener Vertrag überhaupt als "außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag" iSv der Verbraucherrechte-RL angesehen werden kann. Ist der Ort, an dem der Vertrag abgeschlossen wurde, als Geschäftsraum zu qualifizieren, kommen die entsprechenden Regelungen gar nicht zur Anwendung und die Frage nach einem Rücktrittsrecht würde sich gar nicht erst stellen. Diese Frage wurde dem EuGH nicht vorgelegt und musste damit von diesem daher auch nicht beantwortet werden. Dennoch äußerte der EuGH seine Zweifel: ein Messestand ist durchaus als Geschäftsraum anzusehen. Nur wenn ein Vertrag auf einer Messe, aber nicht an einem bestimmten Stand geschlossen werde, greife das 14-tägige Rücktrittsrecht, so der EuGH. 

EuGH-Urteil C-529/19

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