Weitreichende Folgen für Unternehmen bei fehlender Belehrung über das Rücktrittsrecht

veröffentlicht am 31.07.2020

Ein Verbraucher kann innerhalb eines Jahres von einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag zurücktreten, wenn das Unternehmen nicht über das Rücktrittsrecht belehrt hat. Ein allfälliger Wertverlust ist dem Konsumenten nicht anzulasten.

Kaufvertrag mit Auto, © Photo by Claudia Hautumm on Pixelio
Ein Konsument entdeckte auf der Website eines Kfz-Händlers einen Gebrauchtwagen. Nach einigen Telefonaten einigte man sich auf folgende Vorgehensweise:  der Verkäufer übermittelte dem Konsumenten einen von ihm unterzeichneten Kaufvertrag per E-Mail. Der Konsument sollte den Vertrag, ebenfalls unterschrieben, per E-Mail retournieren. In den Vorgesprächen war nie die Rede davon, dass der Kaufvertrag vorbehaltlich einer Besichtigung gelten sollte. Sie einigten sich auf Barzahlung und Übergabe des Gebrauchtwagens am Firmensitz des Autoverkäufers. Bis zum Abschluss des Kaufvertrags hatten der Konsument und der Händler ausschließlich über Telefon und E-Mail kommuniziert.

Bei der Übergabe entdeckte der Konsument Kratzer und Mängel bei den Bremsklötzen. Aus diesem Grund einigten sie sich, den Kaufpreis um 200 EUR herabzusetzen. Im Hinblick auf die Änderung des Kaufpreises unterfertigte der Konsument - diesmal in den Geschäftsräumlichkeiten des Händlers -  einen weiteren Kaufvertrag sowie Garantieunterlagen. Dieser zweite Kaufvertrag, der dem Konsumenten nicht ausgehändigt wurde, war mit dem ersten Kaufvertrag bis auf den nunmehr ausgewiesenen Kaufpreis von 30.800 EUR und den (nunmehr) gestrichenen Passus „Vorbehaltlich Besichtigung” deckungsgleich. Nach der Bezahlung übernahm der Konsument den Wagen und fuhr nach Hause. 11 Monate später trat er vom Vertrag zurück und forderte den gesamten Kaufpreis.

Zu Recht?

Ja! Das haben alle Instanzen bestätigt.

Da der Konsument den Vertrag übers Telefon und per Mail abgeschlossen hatte, liegt ein sogenannter Fernabsatzvertrag vor, von dem man innerhalb von zwei Wochen zurücktreten kann. Wird die Konsumentin/der Konsument nicht über das Bestehen eines Rücktrittsrechts oder die Bedingungen, die Fristen und die Vorgangsweise für die Ausübung dieses Rechts informiert, dann verlängert sich die Frist auf 1 Jahr. Im konkreten Fall wurde der Konsument nicht über sein Rücktrittsrecht informiert. Er ist somit fristgerecht vom Vertrag zurückgetreten. Die Tatsache, dass er das Auto abgeholt hat, ändert nichts daran.

Der Verkäufer argumentierte, dass nicht der erste Kaufvertrag relevant sei, sondern jener, der in den Geschäftsräumen unterschrieben wurde. Der erste sei  "Vorbehaltlich Besichtigung" gewesen und eine solche sei nicht erfolgt. Das Erstgericht folgte aber der Aussage des Klägers, wonach im Zuge des telefonischen Gesprächs mit dem Verkäufer der Beklagten nie davon die Rede gewesen war, dass der Kaufvertrag vorbehaltlich einer Besichtigung gelten sollte; der Verkäufer habe ihm vielmehr erklärt, es sei kein Rücktritt möglich. Dieser (natürliche) Konsens der Parteien geht dem objektiven Erklärungswert, also auch dem allfälligen Urkundeninhalt, vor. 

Kein Wertersatz für Unternehmen

Interessant an dieser Entscheidung ist auch die Tatsache, dass der Verbraucher in keinem Fall für einen Wertverlust der Ware haftet, wenn er vom Unternehmer nicht ordnungsgemäß über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde. Diese seit 2014 geltende Bestimmung unterscheidet sich damit wesentlich von der früheren Bestimmung, die sehr wohl noch einen Wertersatz für das Unternehmen vorgesehen hatte.

Der Verkäufer führte im Verfahren die Unverhältnismäßigkeit dieser Sanktion ins Treffen. Der Oberste Gerichtshof folgte seiner Ansicht nicht und bezog sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der das Widerrufsrecht und dessen Folgen gerade nicht für unionsrechtswidrig erachtet: "Das Widerrufsrecht soll Verbraucher/innen in der besonderen Situation eines Vertragsabschlusses im Fernabsatz schützen, in der sie keine konkrete Möglichkeit haben, vor Abschluss des Vertrags die Ware zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung zur Kenntnis zu nehmen. Das Widerrufsrecht soll den Nachteil ausgleichen, der sich für eine/n Verbraucher/in bei einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag ergibt, indem ihr/ihm eine angemessene Bedenkzeit eingeräumt wird, in der sie/er die Möglichkeit hat, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren. Angesichts der Bedeutung des Widerrufsrechts für den Verbraucherschutz ist die vorvertragliche Information über dieses Recht für Verbraucher/innen von grundlegender Bedeutung. Um von dieser Information vollumfänglich profitieren zu können, müssen Verbraucher/innen im Vorhinein die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts kennen." (EuGH C-430/17 [Walbusch Walter Busch])

Der OGH zitiert auch den Verfassungsgerichtshof, der keine Zweifel hat, dass die in der Richtlinie normierte Rechtsfolge für den Unternehmer bei mangelnder Belehrung über das Widerrufsrecht geeignet ist, das Ziel des umfassenden Verbraucherschutzes bei Fernabsatzverträgen und bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zu erreichen.

Das Urteil kann im Volltext nachgelesen werden.

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