Das neue Gewährleistungsrecht - Teil 1

veröffentlicht am 28.12.2021

Ab 1. Jänner gilt in Österreich ein neues Gewährleistungsrecht. Für Verbraucher:innen gibt einige Verbesserungen, wenngleich es auch teilweise unübersichtlicher geworden ist. Die wichtigsten Eckpunkte über die neuen Bestimmungen finden Sie hier.

Schraubenzieher und Schrauben , © AllanW auf pixabay
Anmerkung: Lesen Sie dazu auch unseren kurzen Überblick, den wir konsumentenfragen bereits im Juli 2022 veröffentlicht haben: Gewährleistung Neu ab 2022 (konsumentenfragen.at)

Grundsätzlich hat jede:r Verbraucher:in das Recht, eine gekaufte Ware fehlerfrei ausgehändigt zu bekommen. Die Gewährleistung ist ein Grundpfeiler des allgemeinen Vertragsrecht und eines der relevantesten Behelfe für Verbraucher:innen bei der Durchsetzung ihrer Rechte. 

Gewährleistungsreform 2022

Bereits 2002 wurde das Gewährleistungsrecht durch europäische Vorgaben deutlich verbessert. So wurde beispielsweise die Gewährleistungsfrist von heutzutage undenkbaren 6 Monaten auf 2 Jahre verlängert. Nun 20 Jahre später erfährt das Gewährleistungsrecht - ebenfalls durch europäische Richtlinien - einen weiteren grundlegenden Wandel, der vor allem damit zusammenhängt, dass die Digitalisierung und Nachhaltigkeitstendenzen die Konsumwelt ganz wesentlich prägen und verändern.

Verschiedene Rechtsgrundlagen

Die Reform bringt ein neues Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) sowie Änderungen der die Gewährleistung regelnden Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) und des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG).

Eckpunkte:

  • Beim Erwerb beweglicher Sachen von einer/einem Unternehmer:in, also beim klassischen Warenkauf oder beim Erwerb von digitalen Leistungen gilt das sogenannte Verbrauchergewährleistungsgesetz.
  •  Für alle sonstigen Verträge (zB kauf einer Eigentumswohnung) im Verhältnis Unternehmer:in versus Verbraucher:in gilt das Gewährleistungsrecht des ABGB.

Die Gewährleistung für Verbraucher:innen ist also künftig entweder im VGG oder im ABGB geregelt. Darüber hinaus finden sich einige Spezialregelungen im KSchG.

Für Verbraucher:innen wichtig: Das Gewährleistungsrecht des neuen VGG weicht von dem des ABGB ab. Daher ist die richtige Einordnung des jeweils von dem:der Verbraucher:in abgeschlossenen Vertrags unter das zugehörige Gesetz wichtig. Verbraucher:innen müssen also letztlich darüber Bescheid wissen, welche Leistung sie erhalten haben und welches Gesetz deswegen zur Anwendung kommt. Denn je nachdem, was man erworben hat, sind andere Gesetze anwendbar.

Mangelhaftigkeit als Voraussetzung für Gewährleistungsansprüche

Verkäufer:innen sind verpflichtet, Käufer:innen die gekaufte Ware frei von Mängeln zu übergeben. Tun sie das nicht, haben Käufer:innen einen Anspruch auf Gewährleistung gegenüber den Verkäufer:innen. Dasselbe gilt beim Erwerb von digitalen Leistungen (etwa einem e-book oder einer Betriebssoftware) – im Mangelfall stehen auch hier Gewährleistungsansprüche zu.

Ein Mangel besteht dann, wenn eine Ware nicht die Beschaffenheit aufweist oder nicht die Eigenschaften hat, die zwischen Verkäufer:innen und Käufer:innen vereinbart wurden. Aber auch dann, wenn die Ware nicht wie üblich verwendet werden kann oder nicht die Eigenschaften hat oder die Benutzbarkeit aufweist, die Produkte gleicher Art normalerweise haben und die Verbraucher:innen vernünftigerweise erwarten können. Bei digitalen Leistungen gilt dasselbe.

Von den letztgenannten objektiv erwartbaren Leistungsmerkmalen, die auch ohne konkrete Vereinbarung geschuldet sind, kann von den Vertragsparteien einvernehmlich abgegangen werden. Im Anwendungsbereich des VGG, der den Großteil der Konsumgüter abdeckt, geht das allerdings nicht so leicht: Unternehmer:innen müssen Verbraucher:innen vor Vertragsabschluss von der konkreten Abweichung der Ware oder der digitalen Leistung vom gesetzlichen Standard eigens in Kenntnis setzen und diese müssen darin ausdrücklich und gesondert einwilligen. Eine Zustimmung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) reicht dafür nicht aus.

Längere Frist für die Vermutung der Mangelhaftigkeit zum Lieferungszeitpunkt

Gewährleistungsansprüche stehen dann zu, wenn ein Mangel der Ware oder der Leistung bereits im Zeitpunkt der Übergabe oder der Bereitstellung besteht. Das gilt auch dann, wenn sich dieser Mangel erst später zeigt, er aber schon im Lieferungszeitpunkt grundsätzlich vorhanden war. In der Praxis ist es insbesondere wegen Beweisschwierigkeiten oft nicht möglich, Gewährleistungsansprüche tatsächlich durchzusetzen.

Eine der wesentlichsten, für Verbraucher:innen positiven - Änderungen ist die Verlängerung der sogenannten Vermutungsfrist von bislang sechs Monaten auf 1 Jahr im Anwendungsbereich des VGG. Taucht also ein Mangel innerhalb des ersten Jahres nach Übergabe auf, ist es Sache der/des Verkäufer/in, den Beweis zu erbringen, dass der Mangel nicht schon bei der Übergabe vorlag, sondern z. B. auf unsachgemäße Verwendung durch die/den Verbraucher zurückzuführen ist. Nach Ablauf dieser Frist wird der/die Verbraucher:in beweispflichtig.  

Die einjährige Vermutungsfrist gilt beim Kauf von beweglichen Sachen und beim Erwerb digitaler Leistungen. Die Rechtslage ist auch hier zersplittert, denn bei all anderen Verträgen (Kauf unbeweglicher Sachen – z.B. einer Eigentumswohnung - und beim Werkvertrag) beträgt die Vermutungsfrist weiterhin sechs Monate.

Bei fortlaufend bereitzustellenden digitalen Leistungen (zum Beispiel Nutzungsvertrag mit einer Social-Media-Plattform) trifft Unternehmer:innen die Beweislast für die Mangelfreiheit während des gesamten Bereitstellungszeitraums.

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