Neueste Informationen zu Wertsicherungsklauseln in Wohnungsmietverträgen
veröffentlicht am 07.08.2025
Lesen Sie hier das aktuelle Update nach dem OGH-Urteil vom 30.7.2025.
Was ist eine Wertsicherungsklausel in einem Mietvertrag?
Unter Wertsicherung versteht man die Anpassung des Mietzinses an die Inflationsentwicklung.
Eine solche Anpassung erfolgt – mit wenigen Ausnahmen – nicht automatisch, sondern setzt eine vertraglich vereinbarte Wertsicherungsklausel voraus. Fehlt eine derartige Vereinbarung, kann eine Wertsicherung nicht geltend gemacht werden und der Mietzins inflationsbedingt nicht angepasst werden.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat einige Wertsicherungsklauseln als gesetzwidrig beurteilt
Der OGH hat seit 2023 im Zuge mehrerer Verbandsverfahren der Arbeiterkammer (AK) Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen geprüft, die zwischen gewerblichen Vermieter:innen und Verbraucher:innen abgeschlossen wurden.
Das Gericht hat entschieden, dass bestimmte Wertsicherungsklauseln gegen Konsumentenschutzbestimmungen verstoßen und daher unwirksam sind.
Folgende Klauseln hat der OGH in diesen Verbandsverfahren als unzulässig eingestuft:
- Keine Wartefrist: Eine Klausel, die eine Mietzinserhöhung innerhalb der ersten zwei Monate nach Vertragsabschluss ermöglicht, verstößt gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG und ist daher unzulässig (2 Ob 36/23t, 8 Ob 37/23h, 8 Ob 6/24a). Der OGH ist jedoch kürzlich in einer Einzelfallentscheidung von dieser Rechtsansicht abgewichen (10 Ob 15/25s – siehe unten).
- Unklarer Ersatzindex: Eine Klausel, die einen Ersatzindex vorsieht, aber nicht festlegt, welcher Index den Verbraucherpreisindex (VPI) ersetzen soll oder wer diesen bestimmt, verstößt gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und ist daher unzulässig (2 Ob 36/23t).
- Rückwirkende Anpassung: Eine Wertsicherungsklausel, die Indexänderungen berücksichtigt, die bereits vor Vertragsabschluss eingetreten waren, benachteiligt Mieter:innen und verstößt gegen § 879 Abs 3 ABGB. (8 Ob 37/23h).
- Wertsicherung anhand des Baukostenindex: Die Bindung der Wertsicherung an den Baukostenindex ist sachlich nicht gerechtfertigt, da dieser Index nur einzelne Vermietungskosten (z. B. Erhaltung) abbildet, jedoch laufende Ausgaben wie Finanzierungskosten unberücksichtigt lässt. Die Klausel verstößt gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und ist unzulässig (10 Ob 23/24s).
Mögliche Konsequenzen dieser OGH-Rechtsprechung
Die angeführten Entscheidungen des OGH in Verbandsverfahren zum Thema Wertsicherung können weitreichende Folgen haben.
Ist eine Klausel unzulässig, fällt sie nach geltender Rechtsprechung nämlich in der Regel ersatzlos weg. Damit fehlt die Grundlage für eine Wertanpassung.
Seit den angeführten Entscheidungen des OGH steht daher bei Wohnungsmietverträgen mit ähnlichen unzulässigen Wertsicherungsklauseln, wie bei den oben aufgelisteten, im Raum, dass Mieter:innen möglicherweise die Beträge, die sie aufgrund von Wertanpassungen über die Jahre bezahlt haben, zurückverlangen können– unter Umständen bis zu 30 Jahren.
Allerdings hat der OGH in anderen Einzelfällen die Folgen von gesetzwidrigen Klauseln relativiert.
Hinzu kommt die aktuelle Entscheidung des OGH vom 30.7.2025, die die möglichen Konsequenzen in wesentlichen Bereichen in Frage stellt.
Entscheidung des OGH vom 30.7.2025 und mögliche Folgen
Der 10. Senat des OGH stellt in seiner aktuellen Entscheidung (10 Ob 15/25s) fest, dass § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG auf Mietverträge nicht anwendbar ist. Damit bezieht der 10. Senat entgegen der bisherigen OGH-Rechtsprechung eine abweichende Position.
Zudem äußerte sich der Senat zu weiteren Fragen rund um Wertsicherungsklauseln, beispielsweise zur Teilbarkeit der Klausel sowie zur Zulässigkeit der Bezugnahme auf einen bereits vor Vertragsabschluss veröffentlichten Index.
Im vorliegenden Einzelfall verneinte der 10. Senat eine Rückforderung der aufgrund der Wertsicherungsklausel erfolgten Mietzinserhöhungen.
Die nunmehrige Entscheidung durch den 10. Senat könnte für Wohnungsmietverträge folgende Bedeutung haben:
- Preiserhöhungen innerhalb der ersten zwei Monate sind zulässig, wenn der Vertrag länger als zwei Monate läuft.
- Indexwerte vor Vertragsabschluss sind zulässig, wenn die Wertsicherung auf den zuletzt vor Vertragsbeginn veröffentlichten Index Bezug nimmt.
- Eine Teilunwirksamkeit führt nicht zwingend zur Gesamtnichtigkeit – sofern die übrigen Teile der Klausel einen eigenen Regelungsbereich haben und verständlich bleiben.
Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich auch andere Senate des OGH der neuen Rechtsmeinung des 10. Senats anschließen werden.
Die endgültigen Auswirkungen sind aktuell jedenfalls noch nicht absehbar. Die Regierung arbeitet an einer Lösung des Problems.
Gründe für die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln
Unabhängig davon können Wertsicherungsklauseln nach derzeitiger Rechtsprechung aber auch aus anderen als vom 10. Senat behandelten Gründen gesetzwidrig und somit unwirksam sein – etwa wenn sie:
- einseitig nur Entgelterhöhungen vorsehen, aber Senkungen ausschließen,
- unsachlich weit vordatiert ist, da die Wertsicherung bereits mehrere Monate vor Vertragsabschluss einsetzt und Preisentwicklungen berücksichtigt werden, die lange vor Beginn des Mietvertragsabschlusses liegen,
- sachlich nicht gerechtfertigte Indices (z. B. Baukostenindex) heranziehen oder
- intransparent formuliert sind.
In diesen Fällen können daher mangels zulässiger Wertsicherungsklausel Rückforderungsansprüche bestehen, auch wenn sich die Ansicht des 10. Senats durchsetzt.
Die Entscheidung des VfGH
In seiner Entscheidung vom 11.7.2025 hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) klargestellt, dass die Bestimmungen der §§ 6 Abs 2 Z 4 KSchG und 879 Abs 3 ABGB verfassungskonform sind (vgl. VfGH 24.6.2025, G 170/2024 und G 37-38/2025).
Ein Vermieter hatte diese beiden konsumentenrechtlichen Bestimmungen im Konsumentenschutzgesetz (KSchG) und im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) bekämpft und sie im Kontext von Mietzinserhöhungen angefochten.
Der VfGH hat nur bestätigt, dass diese Bestimmungen verfassungskonform sind. Wie die zivilrechtlichen Konsumentenschutzregeln auszulegen sind, etwa ob eine Wertsicherungsvereinbarung im Einzelfall gegen diese Bestimmungen verstößt und daher gesetzwidrig ist und ob Rückforderungsansprüche bestehen, entscheiden allerdings die ordentlichen Gerichte.
Tipps für betroffene Verbraucher:innen
Ob eine Wertsicherungsklausel im Einzelfall zulässig ist oder nicht und ob daher Rückforderungsansprüche bestehen können, muss im Einzelfall geprüft werden.
Verbraucher:innen sollten sich daher zu ihrem konkreten Vertrag beraten lassen und an Verbraucherorganisationen wie die Arbeiterkammern, den Verein für Konsumenteninformation, den Verbraucherschutzverein oder Mieterorganisationen wenden.
Wer über eine Rechtsschutzversicherung verfügt, kann Ansprüche mit seiner Rechtsschutzversicherung verfolgen.
Wenn bei Streitigkeiten zwischen Verbraucher:innen und Unternehmer:innen keine Einigung erzielt werden kann, steht die Verbraucherschlichtung Austria zur Verfügung.
Da die Verjährungsfrist möglicherweise verkürzt wird, sollten Betroffene ihre möglichen Ansprüche gegenüber dem Vermieter bzw. der Vermieterin zeitnah – bis Ende 2025 – prüfen lassen.
Eine Prozessführung auf eigenes Risiko ist nicht zu empfehlen, weil derzeit die Rechtsfolgen noch nicht abschließend geklärt sind.