EuGH: Blitzschlag kann außergewöhnlicher Umstand sein
veröffentlicht am 09.12.2025
Darf eine Airline Entschädigungen verweigern, wenn ein Flugzeug vor dem Start vom Blitz getroffen wurde und deshalb verspätet abfliegt? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese Frage in einem aktuellen Urteil beantwortet – und die Rechte von Passagieren dabei klarer definiert.
Ein Fluggast verfügte über eine bestätigte einheitliche Buchung bei Austrian Airlines für einen Flug mit Anschlussflug von Iași (Rumänien) nach London-Heathrow über Wien. Kurz vor der Landung in Iași schlug ein Blitz in das Flugzeug der Austrian Airlines ein. Die Maschine musste – wie gesetzlich vorgeschrieben – einer umfassenden Sicherheitsprüfung unterzogen werden. Dadurch verzögerte sich der geplante Weiterflug nach Wien erheblich. Ein betroffener Passagier erreichte Wien erst mehr als sieben Stunden später mit einem Ersatzflug. Seine mögliche Entschädigungsforderung übergab er an die Plattform AirHelp, die für den Fall 400 Euro von der Austrian Airlines einforderte.
Austrian Airlines jedoch lehnte die Forderung mit Verweis auf die Fluggastrechte-Verordnung ab – und der Fall landete letztlich vor dem EuGH.
Anwendbarkeit der Fluggastrechte-Verordnung
Die Fluggastrechte nach der europäischen Fluggastrechte-Verordnung sind gesetzlich verankerte Rechte, die Passagieren im Falle von Flugverspätungen, Annullierungen, Nichtbeförderungen oder Problemen mit dem Gepäck zustehen. Ziel dieser Rechte ist es, Reisende vor Nachteilen durch Flugunregelmäßigkeiten zu schützen und ihnen einen finanziellen Ausgleich sowie Betreuungsleistungen zu sichern.
Bei Annullierung, Verspätung, Überbuchung und verpassten Anschlussflügen können Passagiere nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung einen Anspruch auf Entschädigung haben. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach der Flugdistanz und kann zwischen 250 € und 600 € liegen.
Aber nicht in jedem Fall haben Fluggäste Anspruch auf eine Entschädigung. Liegen die Voraussetzungen vor, können sich Airlines unter bestimmten Bedingungen von der Entschädigungsleistung befreien und zwar dann, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen und die Fluglinie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um diese und deren Folgen zu vermeiden. Außergewöhnliche Umstände sind Ereignisse, die außerhalb des Einflussbereichs der Fluggesellschaft liegen und selbst bei allen zumutbaren Maßnahmen nicht hätten verhindert werden können.
Berufung auf „außergewöhnliche Umstände“
Im konkreten Fall berief sich die Fluggesellschaft auf diese „außergewöhnlichen Umstände“. Ein Blitzeinschlag sei ein unvorhersehbares Naturereignis, das sich trotz moderner Technik nicht vollständig vermeiden lasse. Zudem seien die anschließenden Sicherheitskontrollen verpflichtend und hätten die Verzögerung zwangsläufig verursacht. Daher, so Austrian Airlines, liege kein Anspruch auf Entschädigung nach der EU-Fluggastrechteverordnung vor.
EuGH bestätigt im Blitzeinschlag einen außergewöhnlichen Umstand.
Das Gericht stimmte der Airline zu. Ein Blitzeinschlag, der eine verpflichtende Sicherheitskontrolle nach sich zieht, gehöre nicht zum normalen Betriebsablauf einer Airline und liege damit außerhalb ihrer Kontrolle. Sähe man das anders, würde man Airlines womöglich einen Anreiz setzen, ein Flugzeug trotz notwendiger Sicherheitschecks starten zu lassen, nur um pünktlich zu sein und sich dadurch möglicher Ersatzansprüche zu entziehen. Sicherheit gehe damit vor Pünktlichkeit, entschied der EuGH. Damit musste die Austrian Airlines keine Entschädigungsleistung zahlen. Bleibt noch zu prüfen, ob die Airline alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den Eintritt des außergewöhnlichen Umstands und seine Folgen zu vermeiden. Ob Austrian Airlines diese Anforderungen erfüllt hat, muss nun das Bezirksgericht Schwechat beurteilen.