OLG Wien: Ablehnung der Rechtsschutzdeckung im Zusammenhang mit COVID-19-Pandemie erfolgte zu Unrecht

veröffentlicht am 16.05.2021

Die Ausnahmesituationsklausel in AGB ist unzulässig

In den Rechtsschutzbedingungen einer Versicherung fand sich eine Klausel, die den Versicherungsschutz unter anderem für folgenden Fall ablehnte:

„[…] für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind.“

Solche oder ähnliche Klauseln sind in nahezu allen Rechtsschutzversicherungsverträgen enthalten und führten bei zahlreichen coronabedingten Rechtsstreitigkeiten regelmäßig zu Deckungsablehnungen der Versicherungen.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) ging im Auftrag des Sozialministeriums konkret gegen eine derartige Klausel vor. Ende letzten Jahres erklärte das Handelsgericht (HG) Wien die Klausel für unzulässig. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien bestätigte nun das erstinstanzliche Urteil. Das Urteil ist rechtskräftig.

Klausel ist gröblich benachteiligend und intransparent 

Nach Auffassung des Gerichts ist die Klausel zum einen gröblich benachteiligend, weil sie eine Haftung für jede Rechtsstreitigkeit, die in einem wie auch immer gearteten Zusammenhang mit einer hoheitlichen Anordnung steht, ausschließt. Ein derart weitreichender Risikoausschluss weiche von den berechtigten Erwartungen der Versicherungsnehmer/innen ab und sei daher gröblich benachteiligend.

Zum anderen sei die Klausel auch intransparent, weil die darin verwendeten Begriffe wie „hoheitliche Anordnung“ oder „Ausnahmesituation“ für Durchschnittsverbraucher/innen in ihrer Tragweite unverständlich bleiben. Unklar ist, was unter einer „hoheitlichen Anordnung“ zu verstehen ist und ob darunter nur Gesetze oder auch sonstige Akte der Verwaltung, der Gerichtsbarkeit, oder auch jene eines anderen Staates fallen. Auch der Wortlaut „Personenmehrheit“ ließe offen, ob hier mehrere Personen konkret oder abstrakt betroffen sein müssen und ob darunter etwa auch Einzelanordnungen fallen, die jedoch gleichlautend in großer Zahl erlassen werden.

Ebenso sei der in der Klausel verwendete Begriff „Ausnahmesituation“ zu unbestimmt, weil es umgekehrt keine Definition für den Regelfall und die davon erforderlichen qualitativen und/oder quantitativen Abweichungen geben würde.

Versicherungsnehmer/innen sollen erneut Deckungsanfrage stellen

Das OLG Wien folgte damit der Rechtsauffassung des VKI. Nachdem die vom Gericht als unzulässig befundene Klausel ersatzlos entfällt, dürfen Rechtsschutzversicherer diese Klausel daher nicht als Grund für Deckungsablehnungen heranziehen. Der VKI rät daher betroffenen Versicherungsnehmer/innen nochmal eine Deckungsanfrage an die Versicherung zu richten. 

Wird die Deckungsanfrage abgelehnt, empfiehlt sich für betroffene Versicherungsnehmer/innen der Weg zur Beschwerdestelle über Versicherungsunternehmen, die sich seit 1.10.2018 im Sozialministerium befindet. Die Gruppe Konsumentenpolitik nimmt Ihre Beschwerde über in- und ausländische Versicherungsunternehmen entgegen, trifft eine rechtliche Beurteilung und fordert eine Stellungnahme des Unternehmens ein. 


Ihre Beschwerde können Sie an folgende Emailadresse richten:

Versicherungsbeschwerde@sozialministerium.at  


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