Versicherung muss Unterlagen bei unklarer Rechtslage herausgeben

veröffentlicht am 30.11.2018

OGH argumentiert mit Grundsatz von Treu und Glauben

§ 3 Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) räumt dem Versicherungsnehmer das Recht ein, jederzeit die Ausstellung einer Ersatzurkunde zu verlangen und Abschriften der
Erklärungen zu fordern, die er mit Bezug auf den Vertrag abgegeben hat. Eine zeitliche Begrenzung dieser Ansprüche sieht das Gesetz nicht vor.

Diese im Gesetz verankerte Auskunftspflicht ist eine sogenannte Nebenleistungspflicht des Versicherers und soll garantieren, dass sich der Versicherungsnehmer über die relevanten Bestimmungen seines Versicherungsvertrags informieren und seine Rechte wahren kann.

Diese Auskunftspflicht nach § 3 VersVG besteht während des Vertrags jederzeit, nach seiner Beendigung nur bis zur vollständigen Abwicklung, also so lange, bis keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag mehr geltend gemacht werden können, solche also noch nicht verjährt sind. Ansprüche aus dem
Versicherungsvertrag verjähren innerhalb von drei Jahren nach Fälligkeit.

Anlassfall

In einem konkreten Fall kündigte ein Versicherungsnehmer seinen Lebensversicherungsvertrag nach zehn Jahren. Der Lebensversicherungsvertrag wurde ordnungsgemäß abgerechnet und das Kapital ausbezahlt.

Kurz nach Abrechnung des Lebensversicherungsvertrags erging eine bahnbrechende Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union mit dem Sukkus: Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmern steht bei fehlender oder fehlerhafter Belehrung durch die Versicherung ein unbefristetes Rücktrittsrecht zu.

Zur Prüfung, ob ihm ein Rücktrittsrecht zusteht, ersuchte der Versicherungsnehmer um Übermittlung der dafür relevanten Unterlagen, was die Versicherung aber mit der Begründung der Verjährung ablehnte. Die ersten beiden Instanzen bei Gericht bestätigten diese Rechtsansicht.

Entscheidung des OGH

Nachdem der Lebensversicherung vor Ablauf der Verjährungsfrist nach Abrechnung des Lebensversicherungsvertrags bekannt sein musste, dass aufgrund der EuGH-Entscheidung eine unklare Rechtslage zum Rücktrittsrecht besteht und dass zu deren Beurteilung auch Auskünfte über den Versicherungsvertrag im Sinn von § 3 VersVG nötig werden können, wendet der OGH den Grundsatz von Treu und Glauben an:

Die Versicherung hat „nach Treu und Glauben bei bekannt unklarer Rechtslage ihrer Nebenleistungspflicht nach § 3 VersVG jedenfalls solange nachzukommen, bis Klarheit durch Gesetz und/oder Judikatur geschaffen wird", so der OGH in seiner Entscheidung.

Dem Versicherungsnehmer muss es möglich sein, „seine Rechtsposition zu wahren, wofür die Kenntnis der in § 3 VersVG genannten Urkunden Voraussetzung sein kann."

Das Urteil finden Sie hier.

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