Auch Versicherungsbedingungen müssen eindeutig sein

veröffentlicht am 06.05.2017

Was heißt "Hand im Handgelenk"

Der Konsument hatte eine Unfallversicherung abgeschlossen und erlitt in der Folge bei einem Radunfall eine Verletzung der rechten Hand. Das verletzte rechte Handgelenk wurde operativ versteift. Danach blieben unter anderem folgende unfallkausale Dauerfolgen:

  • das rechte Handgelenk ist vollständig versteift; seine Beweglichkeit ist vollständig aufgehoben;
  • einige Finger sind in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt; die Grobkraft der Hand ist eingeschränkt.

Die zu Grunde liegenden Versicherungsbedingungen sahen in der sogenannten Gliedertaxe folgenden Wert vor:

"Hand im Handgelenk: 60 %"

Der Konsument wollte nun eine Leistung aus der Unfallversicherung ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 60%, weil es zu einer vollständigen Versteifung der "Hand im Handgelenk" gekommen sei.

Wie werden unklare Bestimmungen ausgelegt?

Im Verfahren wendete die Versicherung ein, dass mit der Formulierung "Hand im Handgelenk" die Funktionseinschränkung der Hand "ab dem Handgelenk" gemeint sei und daher nicht die vollen 60% sondern nur 18% zustünden. Eine Funktionsunfähigkeit der Hand liege nicht vor. Sowohl die Hand als auch die Finger seien funktionsfähig und es liege auch keine vollkommene Versteifung des Handgelenks vor, weil eine Streckung bzw. Beugung im Winkel von 15° möglich sei.

Der OGH hat dazu ausgeführt, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen nach Vertragsauslegungsgrundsätzen ausgehend vom Maßstab des durchschnittlich
verständigen Versicherungsnehmers auszulegen sind. Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten im Sinn des § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders der AGB, also des Versicherers gehen.

...zu Lasten des Verfassers

Auf Grundlage dieser rechtlichen Beurteilung gab der OGH dem Versicherungsnehmer Recht: Die Formulierung "Hand im Handgelenk" ist dahin auszulegen, dass der Invaliditätsgrad von 60 % (bereits) bei vollständiger Funktionsunfähigkeit  (Versteifung) des Handgelenks gilt und eine verbliebene Restfunktion der Hand nicht anspruchsmindernd zu berücksichtigten ist.

OGH 7 Ob 210/16g

Konsumentenfragen Newsletter

Aktuelle Neuigkeiten aus allen Bereichen der Konsumentenfragen