Umfrage Konsumentenschutz heute - Folge 9

Die Europäische Union hat es zur Zeit nicht leicht - Brexit, Einwanderung, wirtschaftliche Stagnation in manchen Mitgliedstaaten, EU-Gegner und nationalistische Parteien im Aufwind. Handlungsschwäche bei verschiedenen Krisen, wie die Flüchtlingskrise oder die Coronapandemie, hat den Eindruck entstehen lassen, dass die EU nicht in der Lage ist, ihre Mitgliedstaaten zu unterstützen und effizient gemeinsame Lösungen zu finden. Dies schlägt sich teilweise in einem Vertrauensverlust gegenüber der EU und ihren Institutionen nieder – der am deutlichsten im Brexit-Referendum  und letztlich durch den tatsächlichen Austritt Großbritanniens zum Ausdruck kam.

Das Thema Europäische Vernetzung und Zusammenarbeit wurde auch im Rahmen unserer Umfrage  anlässlich des Weltverbrauchertages abgefragt. 48% halten dieses Thema für sehr wichtig. Interessant war aber das Ergebnis, dass nur bei 14% der Befragten das Thema Europäische Vernetzung und Zusammenarbeit zu einem der drei Themen, die für sie persönlich am wichtigsten sind, zählt. In diesem Ranking bildet das Thema Europa das Schlusslicht. Für viele scheint also die EU weit weg. Ob sich daraus eine resignierte EU-Verdrossenheit herauslesen lässt?

Die zahlreichen Vorschläge der Befragten zur Verbesserung der Zusammenarbeit auf EU-Ebene geben Hoffnung... 

Was wir besonders erwähnenswert finden

Der Wunsch nach Zusammenhalt, einheitlichem Vorgehen und ein verstärktes Miteinander zieht sich als roter Faden durch die Antworten - ebenso der Wunsch nach weniger Populismus und ehrlicherer Kommunikation auf Augenhöhe. 

Vorschläge reichten von 

  • mehr Transparenz bei den europäischen Institutionen
  • besserer Einbindungsmöglichkeit für Bürger/innen
  • gemeinsamen länderübergreifenden Schulungen und Erfahrungsaustausch
  • mehr gemeinsamen Institutionen 
  • mehr Sicherheit und Vernetzung im Internet 
  • Risse zwischen den südlichen bzw. östlichen Mitgliedsstaaten und dem Rest der EU glätten
  • Verbraucherschutz auf einem Niveau durchsetzen
  • Abhaltung von internationalen Workshops

Zumindest zu einigen der genannten Anregungen wollen wir Links anbieten: 

https://ec.europa.eu/info/policies/consumers_de

https://ec.europa.eu/info/consultations_de

https://eu-seminare.com/

https://europa.eu/youreurope/citizens/education/school/partner/index_de.htm

https://ec.europa.eu/programmes/erasmus-plus/opportunities/individuals/young-people/youth-exchanges_de

Was wichtig ist zu wissen

Für den Verbraucherschutz war und ist die Europäische Union sehr wichtig!

Die Weiterentwicklung des Verbraucherschutzgedankens wäre ohne die EU in diesem Ausmaß nicht denkbar gewesen. Die EU ist Garant dafür, dass neue Entwicklungen, neue Herausforderungen wie zB Digitalisierung/neue Technologien, diskriminierungsfreier Zugang zu Produkten und Dienstleistungen, neue Vertriebsformen (zB Plattformen), Benachteiligungen besonders schutzwürdiger Verbraucher/innen breit diskutiert und der Regelungsbedarf geprüft wird. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei immer auch darauf gelegt, dass die Regelungen nicht nur am Papier stehen, sondern auch durchsetzbar sind. Hier ein paar Eckpfeiler:

Informationsrechte:

Zunächst wurden Informationspflichten der Unternehmer nur für einige Bereiche (zB Pauschalreisen, Versandhandel, Finanzdienstleistungen), 2011 dann aber breit für alle Verbraucherverträge beschlossen. Von der Wirtschaft häufig als große Bürde erlebt, sollen sie für Verbraucher/innen mehr Klarheit über ihre Rechte bieten, damit sie diese kennen und auch tatsächlich ausüben können.

Unfaire Vertragsklauseln:

Kurz vor dem Beitritt wurde eine bis heute essentielle Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln („das Kleingedruckte“) beschlossen. Das Konsumentenschutzgesetz enthielt zwar bereits einige Regelungen. Neu war aber beispielsweise, dass Preisanpassungsklauseln bei längerfristigen Verträgen nur dann gültig sind, wenn sie an einen objektiven Parameter gebunden sind und in ihnen neben Preissteigerungen auch Preissenkung weitergegeben werden. Weiters durfte der Schadenersatz für Personenschäden nicht ausgeschlossen werden. Zusätzlich etablierte die EU das Transparenzgebot, wonach Vertragsklauseln dann ungültig sind, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst sind.

Rücktrittsrechte:

Bereits die Fernabsatzrichtlinie 1997 schuf ein 7-tägiges (seit 2011 ein 14-tägiges) Rücktrittsrecht bei sog. Fernabsatzverträgen (also Internet- oder klassische Versandhandelsgeschäfte). Zusätzlich wurden auch für spezifische Geschäfte (Verbraucherkredite, Versicherungsverträge) Rücktrittsrechte eingeführt.

Schutz vor irreführender und aggressiver Werbung:

Das österreichische Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb wurde durch EU Recht klar in Richtung Verbraucherschutz erweitert und konkretisiert. Zahlreiche Praktiken wurden im Gesetz als irreführend oder aggressiv definiert, die in jedem Fall verboten sind und untersagt werden können. So zB eine Beschreibung eines Produkts als gratis, wenn Kosten im Rahmen der Lieferung der Ware unvermeidlich sind, oder die unrichtige Behauptung, ein Produkt könne Krankheiten heilen. Eine erst 2019 beschlossene Richtlinie wird dazu beitragen, dass die Richtlinie auch individuell besser durchsetzbar ist.

Zugang zum Recht: Verbandsklagen und Schlichtung

Bereits das Konsumentenschutzgesetz 1979 sah für die Sozialpartner und später auch den VKI die Möglichkeit einer Verbandsklage zur Unterlassung gesetzwidriger allgemeiner Geschäftsbedingungen vor. Diese wurde durch mehrere EU Richtlinien erweitert, sodass nun auch Verstöße im Zusammenhang mit zahlreichen Rechtsbereichen (zB Verbraucherkredit, Pauschalreisevereinbarungen, Gewährleistung oder Fernabsatzverträgen) mit Unterlassungsklage untersagt werden können. Aktuell wird in Brüssel ein Richtlinienvorschlag verhandelt, der zusätzlich zur Verbandsklage auch ermöglichen wird, dass durch Gesetzesverstöße geschädigte Verbraucher/innen Schadenersatz erhalten.

Der Zugang zum Recht wird aber auch außergerichtlich erleichtert. In allen EU Mitgliedstaaten waren 2016 auf Grund einer EU Richtlinie Schlichtungsstellen zu benennen, die für vertragliche Verbraucherstreitigkeiten in transparenter und unabhängiger Weise eine Lösung herbeiführen sollen. In Österreich wurde neben 7 bereits bestehenden Schlichtungsstelle die Verbraucherschlichtung (www.verbraucherschlichtung.at) neu begründet.

Produktsicherheit:

Die EU trägt auch laufend dazu bei, dass in allen Mitgliedstaaten der EU nur sichere Produkte vertrieben werden dürfen. Neben gesetzlichen Vorgaben gibt es auch ein Schnellwarnsystem „RAPEX“ (Rapid Exchange System), das über potentiell gefährliche Produkte informiert (2019 waren dies 2000 Meldungen) und so den Marktüberwachungsbehörden ein rasches Agieren am Markt ermöglicht.

Was zu erwarten ist

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist sich der Krise, in der sich die EU befindet, durchaus bewusst und stellte in ihrer erste Rede zur Lage der EU am 16.9.2020 anlässlich des aktuellen Flüchtlingsdramas in Moria den Zusammenhalt der Mitgliedstaaten in den Vordergrund.

Klima, Digitalisierung, Flüchtlingspolitik waren die zentralen Themen ihrer Rede. 

Im Kampf gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels verwies von der Leyen auf den „European Green Deal“, den die Europäische Kommission im Dezember 2019 vorgestellt hat. Der „European Green Deal“ sieht ein umfassendes Maßnahmenpaket vor, das die Wirtschaft in der EU nachhaltiger machen soll. Ziel dieses "Deals" ist es, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Aus Verbrauchersicht wird der Green Deal insgesamt positiv gesehen. Es bleibt aber die Umsetzung der Ankündigungen in konkrete Maßnahmen und Vorschläge abzuwarten. 

Auf den Zustand Europas bei der Digitalisierung warf sie einen kritischen Blick. Da gebe es viel Nachholbedarf. Der Ausbau hinke dem Fortschritt hinterher. Es könne nicht sein, dass 40 Prozent der Menschen in den ländlichen Räumen immer noch ohne Zugang zu schnellen Breitband-Verbindungen sind, so von der Leyen in ihrer Rede.


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