OGH: Rechtsanwalt haftet für die Folgen einer unrichtigen Rechtsberatung

veröffentlicht am 29.08.2015

Vorgeschichte

Als ein Mieter eines Ferienwohnsitzes den Mietzins nicht mehr zahlte, versperrte der Vermieter wegen des Mietzinsrückstands das Haus mit einer Kette, sodass der Mieter das Haus nicht mehr betreten konnte. In der Folge teilte der Vermieter dem Mieter auch mit, dass das Mietverhältnis beendet sei.  Daraufhin beauftragte der Mieter den späteren beklagten Rechtsanwalt, der ihm die Rechtsauskunft gab, dass die Kündigungsschutzbestimmungen des MRG zur Anwendung gelangten, dem Kläger wegen Versperren des Mietobjekts mit der Kette für den laufenden Mietzins ein Minderungsrecht in voller Höhe zustehe und die Vermieterseite nur gerichtlich aus wichtigem Grunde aufkündigen könne.

Der Vermieter brachte gegen den Mieter die Räumungsklage ein. Der Mieter konsultierte daraufhin einen anderen Rechtsanwalt, der ihm mitteilte, dass wegen der Feriennutzung des Bestandobjekts kein Kündigungsschutz bestehe und der Kläger daher räumen bzw. ausziehen sollte. Der Kläger schloss daher im Räumungsverfahren einen Vergleich und räumte das Objekt. Der Mieter wurde sodann im nachfolgenden Prozess zur Zahlung von Mietzins und Benützungsentgelt gegenüber seinem Vermieter verpflichtet.

Klage

Der Mieter und nunmehrige Kläger begehrte nun von dem Rechtsanwalt, der ihn zuerst unrichtig beraten hatte, den Ersatz des dem Vermieter zugesprochenen Benützungsentgelts sowie der ihm im Verfahren über das Benützungsentgelt entstandenen Kosten. Hätte ihn der beklagte Rechtsanwalt nicht falsch beraten, hätte der Kläger das Bestandobjekt geräumt, sodass kein Benützungsentgelt angefallen wäre. Auch die auf das Verfahren entfallenden Kosten wären daher ohne den falschen Rat des Rechtsanwalts nicht entstanden.

Urteil des OGH

Der OGH gab der Revision des Klägers Folge und gab somit dem Klagebegehren statt. Dazu führte er aus:

Der Kläger hat sich im Vertrauen auf die (sich später als unrichtig erweisende) Rechtsberatung durch den beklagten Rechtsanwalt in den Räumungsprozess eingelassen. Die Klage des Vermieters gegen den nunmehrigen Kläger auf Benützungsentgelt war nicht auf eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen zurückzuführen, sondern eine zu erwartende Folge einer möglichen Niederlage im Räumungsprozess. Die Kosten des Verfahrens über das Benützungsentgelt sind daher durch den Umstand, dass der Beklagte den Kläger anlässlich des Räumungsprozesses unrichtig beraten hat, adäquat verursacht worden.

Sinn und Zweck des Vertrages zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten liegen darin, dem Mandanten zur bestmöglichen Rechtsdurchsetzung oder Rechtsverteidigung zu verhelfen und darüber hinaus den Mandanten vor Nachteilen zu bewahren. Dieser Schutzzweck erschöpft sich aber nicht nur im Rechtsstreit selbst, sondern umfasst auch die Vermeidung von Nachteilen, die vorhersehbar mit der Führung und insbesondere mit dem Verlust des Prozesses verbunden sein können.

Im Falle der unrichtigen Beratung des Rechtsanwalts hat der Mandant Anspruch auf Ersatz des verursachten Vertrauensschadens. Es ist die Vermögensdifferenz zu ersetzen, die bei pflichtgemäßer Beratung nicht eingetreten wäre.

Dies bedeutet hier, dass der beklagte Rechtsanwalt als Folge der ihm zuzurechnenden Fehlberatung dem Kläger nicht nur das von ihm aufgrund der urteilsmäßigen Verpflichtung gezahlte Benützungsentgelt, sondern auch die im Rechtsstreit darüber entstandenen Kosten zu ersetzen hat, zumal der Kläger bei richtiger Beratung die Rückstellung des Hauses an den Vermieter nicht hinausgezögert hätte und demgemäß keine Benützungsentgeltforderung und daher auch keine Kosten im Zusammenhang mit ihrer Durchsetzung entstanden wären.  


OGH-Urteil vom 27.5.2015, 8 Ob 17/15f

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