EuGH weist Schadenersatzklage zu Brustimplantaten ab

veröffentlicht am 15.06.2020

Im Skandal um mangelhafte Silikon-Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) ist eine deutsche Patientin mit einer Schadenersatzklage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gescheitert. Das Gericht entschied am 11.6.2020, dass eine Versicherung den Haftpflichtschutz auf betroffene Frauen in Frankreich beschränken kann. Der Fall geht nun zurück an das Oberlandesgericht Frankfurt.

Büste einer Statue, © Photo by Victoria Strukovskaya on Unsplash
2010 war bekannt geworden, dass PIP für die Implantate jahrelang billiges und potenziell gesundheitsschädliches Industriesilikon verwendet hatte. 400.000 Frauen weltweit sollen betroffen sein.

Eine deutsche Patientin klagte vor deutschen Gerichten die französische Versicherung des Herstellers PIP auf Schadenersatz. Das Versicherungsunternehmen berief sich jedoch darauf, dass der Versicherungsschutz aufgrund einer Klausel im Versicherungsvertrag mit der PIP vertraglich auf Frankreich beschränkt sei. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte Zweifel, ob eine Beschränkung der Deckung von Schäden auf Fälle in Frankreich nach EU-Recht zulässig ist. Der Fall ging aus diesem Grund zum Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Die Entscheidung des EuGH

Grundsätzlich gilt, dass innerhalb der Europäischen Union nicht aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminiert werden darf.  Die relevante Bestimmung im Unionsrecht, die dieses Diskriminierungsverbot festlegt, kommt aber nur dann zur Anwendung, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

1.    Der Sachverhalt, der der geltend gemachten Diskriminierung zugrunde liegt, muss in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen.

2.    Für den zu prüfenden Sachverhalt gibt es kein anderes, besonderes Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit.

Der EuGH kam damit in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass die deutsche Patientin EU-Recht nicht heranziehen kann, um die umstrittene Beschränkung des Versicherers auf Frankreich anzufechten. Die Haftpflichtversicherung der Hersteller von Medizinprodukten für Schäden im Zusammenhang mit diesen Produkten ist durch das Unionsrecht nach seinem gegenwärtigen Stand nicht geregelt. Der hier vorliegende Sachverhalt falle nach jetzigem Stand nicht unter das EU-Recht.

EuGH 11.6.2020, C‑581/18 (RB/TÜV, Allianz)

Sammelklage des Vereins für Konsumenteninformation

Auch österreiche Frauen waren/sind von diesem Skandal betroffen. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) vertritt - im Auftrag des Sozialministeriums - seit mehreren Jahren 69 Frauen, die sich durch mangelhafte Brustimplantate der PIP geschädigt sehen. Der VKI hat im Juni 2014 die Ansprüche der 69 Teilnehmerinnen in einer Sammelklage gegen den TÜV in Frankreich angeschlossen. Der Vorwurf: Der TÜV habe seine Kontrollpflichten verletzt und hätte folglich die "CE"-Zertifizierung der PIP-Implantate nie ausstellen dürfen. Am 20. 1. 2017 verurteilte das Handelsgericht Toulon den TÜV Rheinland und den TÜV Rheinland France zu 60 Millionen Euro Schadenersatz. Auch den Klägerinnen aus Österreich wurden je 3000 Euro Vorschuss auf Schadenersatz zugesprochen. Laut Begründung des Gerichts hätte der TÜV gegen seine Kontroll- und Aufsichtspflichten verstoßen und die PIP-Implantate nicht bzw. nicht ausreichend geprüft. Der TÜV legte daraufhin umgehend ein Rechtsmittel ein, um nicht jeder Klägerin 3.000 Euro sofort auszahlen zu müssen. Mit seiner Beschwerde auf Zahlungsaufschub war er nicht erfolgreich. Das Berufungsgericht in Aix en Provence wies den entsprechenden Antrag zurück.

69 geschädigte Frauen aus Österreich - vertreten durch den VKI - erhielten vom TÜV daraufhin insgesamt 207.000 Euro vorläufigen Schadenersatz ausbezahlt.

Strafverfahren gegen PIP

Darüber hinaus unterstützt der VKI jene 69 Frauen auch im Strafverfahren gegen den Unternehmensgründer Jean-Claude Mas und vier leitende Angestellte von PIP.

Anfang Mai 2016 bestätigte das Berufungsgericht in Aix en Provence die Schuldsprüche des Erstgerichts. Herr Mas wurde zu einer unbedingten und alle anderen Angeklagten zu (teil)bedingten Haftstrafen verurteilt. Weil sich die Täter als vermögenslos deklariert hatten, besteht bei Rechtskraft des Urteils für die Frauen die Möglichkeit, über den französischen Opferfond SAVRI teilentschädigt zu werden. Da eine leitende Angestellte das Urteil annahm, hat der Großteil der Teilnehmerinnen bereits durch Antrag des VKI Geld erhalten. Bei einem rechtskräftigen Urteil der anderen vier Angeklagten, die Rekurs eingelegt haben, würden auch die restlichen Geschädigten Geld aus dem Opferfonds bekommen.

Konsumentenfragen Newsletter

Aktuelle Neuigkeiten aus allen Bereichen der Konsumentenfragen