Erfreuliches Urteil im „Diesel-Abgasskandal“

veröffentlicht am 13.03.2023

Der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied erstmals inhaltlich im VW-Abgasskandal. Der beklagte Händler muss das Fahrzeug zurücknehmen und den Kaufpreis samt Zinsen ersetzen. Der Kläger muss sich ein nach gefahrenen Kilometern berechnetes Benutzungsentgelt anrechnen lassen.

Auspuff mit Abgasschwaden, © Matt Boitor, unsplash
OGH 10 Ob 2/23a vom 21.02.2023

Was bisher geschah

Im September 2015 wurde der Abgasskandal öffentlich bekannt:

VW-Gruppe hatte - so der Vorwurf - nachweislich viele ihrer Fahrzeugmodelle manipuliert, um gesetzlich vorgeschriebene Grenzwerte für Abgase zu umgehen.

In den betroffenen Motoren sorgte eine spezielle Software dafür, dass die Abgasreinigung des Fahrzeugs nur dann korrekt arbeitete, wenn es in einer Prüfsituation auf seinen Schadstoff-Ausstoß hin untersucht wird. Im Normalbetrieb auf der Straße wurden die Abgasgrenzwerte jedoch deutlich überschritten. Diese Manipulation durch derartige Abschalteinrichtungen wurde in mehreren Ländern für illegal erklärt und sorgte in der Folge für weltweite Klagewellen.

Zweifelhaftes Software-Update

In weiterer Folge wurde von VW ein Software-Update angeboten. Die eingespielte Software soll ohne die bestehenden Abschalteinrichtungen auskommen. Die Herstellerin warb mit 100%iger Beseitigung von Mängeln. Allerdings war davon auszugehen, dass das Software-Update zwar die bestehende Abschalteinrichtung entfernt, aber ein sogenanntes „Thermofenster“ bestehen bleibt. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine Abschalteinrichtung, die dazu dient, dass die volle Abgasrückführung nur in einem Temperaturbereich zwischen 15 und 33 Grad Celsius erfolgt. Grundsätzlich sind Thermofenster legal und üblich. Dabei wird die Abgasreinigung unter extremen Bedingungen teilweise abgeschaltet, um den Motor zu schützen. Für den normalen Gebrauch eines Fahrzeugs, also innerhalb eines normalen Temperaturfensters, muss die Abgasreinigung des Fahrzeugs aber funktionieren. Prüfungen ergaben aber, dass dieses Temperaturfenster so eng gefasst ist, dass die Abgasreinigung die meiste Zeit nicht aktiv ist.

Verfahrensstand

Allein in Österreich warten Gerichte in rund 1.200 Einzelverfahren und 13 von insgesamt 16 vom Verein für Konsumenteninformation angestrengten Sammelverfahren auf höchstgerichtliche Entscheidungen. Klärung von Seiten des OGH bedurfte es jetzt vor allem in der Frage, wie viel Nutzungsentgelt vom Rückforderungsanspruch abgezogen werden darf. Denn die meisten Kläger:innen benutzen ihr Fahrzeug weiterhin, was ihren Rückforderungsanspruch - sofern dieser bestätigt würde - mindert. Je länger sich die Gerichtsverfahren hinziehen, desto mehr werden die Autos genutzt, was wiederum zu einem geringeren Rückzahlungsanspruch führt.

Zum konkreten Fall

Der klagende Konsument hatte 2015 einen vom Abgasskandal betroffenen VW gebraucht gekauft, der mit dieser klagsgegenständlichen Abschalteinrichtung ausgestattet war. Das Software-Update lehnte er ab. Er verlangte in weiterer Folge vom Händler die Aufhebung des Kaufvertrags und damit die Rückerstattung des geleisteten Kaufpreises abzüglich eines Benützungsentgelts. Das Verfahren ging zum Obersten Gerichtshof, der sich mit den Gewährleistungsansprüchen des klagenden Verbrauchers auseinander zu setzen hatte. 

Gewährleistungsrechte des Verbrauchers

Gewährleistungsrechtlich ist ein Fahrzeug grundsätzlich als mangelhaft einzustufen, wenn es nicht die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften aufweist.

Der OGH qualifizierte die aus dem Abgasskandal bekannte Abschalteinrichtung entsprechend einem davor ergangenen Urteil des europäischen Gerichtshofes als einen Mangel, der zur Vertragsaufhebung berechtigt.  In weiterer Folge setzte sich der OGH mit der Frage auseinander, ob der Mangel behoben werden kann. Denn nur wenn eine durchgeführte Verbesserung nicht zur Behebung des Mangels führt, kann der Verbraucher die Rückabwicklung des Vertrags - verbunden mit einer Rückförderung des (reduzierten) Kaufpreises - verlangen. Im konkreten Fall wäre eine Verbesserung dann erfolgreich, wenn das Fahrzeug nach Durchführung der Verbesserung nicht mehr mit einer verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet wäre. Das angebotene Software-Update kann aber laut OGH diesen Zustand nicht herstellen. Der emissionsmindernde Betriebsmodus im Rahmen des Thermofensters kam nur bei Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad zum Einsatz. Das Thermofenster stellte folglich wiederum eine Abschalteinrichtung dar.

Das heißt, auch nach der angebotenen Verbesserung durch das Software-Update wäre das Fahrzeug weiterhin mangelhaft gewesen. Der Verbraucher kann also die Vertragsauflösung verlangen.

Höhe des Benützungsentgelts

Spannend war im Zuge der Rückabwicklung nun, wie das Benützungsentgelt des Klägers für die bisherige Nutzung des Fahrzeugs berechnet wird.

Der Berechnung wurde folgende Formel zugrundegelegt:

Vereinbarter Kaufpreis multipliziert mit der Anzahl tatsächlich gefahrener Kilometer dividiert durch die zum Erwerbszeitpunkt erwartbare Restlaufleistung

Was heißt das für den konkreten Fall?

  • Die maßgeblichen Elemente waren wie folgt: Kaufpreis rund 27.000 EUR
  • Gefahrene Kilometer rund 70.000 km
  • Restlaufleistung zum Erwerbszeitpunkt rund 250.000 km,

Somit 27.000 x 70.000, dividiert durch 250.000.

Fazit: OGH verpflichtete den Händler zur Rückzahlung des Kaufpreises und sprach ihm aber ein Entgelt für die Nutzung des Fahrzeugs von rund 7.500 EUR durch den Kläger zu. Der Verbraucher erhält also 19.500 Euro vom Kaufpreis zurück. Dazu kommen Verzugszinsen von 4 Prozent für die Nutzung des dem Händler gezahlten Kaufpreises.

Ein schöner Erfolg!


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