Flugannullierung wegen Streik der Belegschaft: Fluglinie muss Ausgleichszahlungen leisten

veröffentlicht am 10.11.2021

EuGH stärkt Fluggastrechte: Anspruch auf Entschädigung bei Streik

Nach der Fluggastrechte-Verordnung haben Reisende grundsätzlich die Möglichkeit, bei Flügen Ausgleichszahlungen zu verlangen, wenn ihre Verbindung gestrichen und keine angemessene Alternative angeboten wird. Es gibt jedoch einige Ausnahmen, beispielsweise, wenn ein "außergewöhnlicher Umstand" vorliegt. Das ist laut der EU-Verordnung dann der Fall, wenn sich die Umstände für die Annullierung auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. In diesem Fall müsste die Fluglinie Ausgleichszahlungen leisten.

Streitfrage: ist Streik des Personal ein „außergewöhnlicher Umstand“?

Im konkreten Fall verlangte ein Fluggast von Eurowings eine Entschädigung in Höhe von 250 Euro, weil der Flug von Salzburg nach Berlin (Tegel) aufgrund eines Streiks des Kabinenpersonals annulliert wurde. Eurowings im Gegenzug machte geltend, dass es sich bei dem Streik um einen außergewöhnlichen Umstand gehandelt habe und dass das Unternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um die Auswirkungen des Streiks zu begrenzen. Das Kabinenpersonal habe sich mit einem Streikaufruf gegen die Konzernmutter Lufthansa solidarisiert, wobei sich der Streik bei Eurowings verselbständigt habe und selbst nach einer Einigung zwischen der Gewerkschaft und Lufthansa noch fortgesetzt worden sei.

Vor diesem Hintergrund hat das Landesgericht Salzburg den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Auslegung der Fluggastrechte-Verordnung ersucht.

Ausbruch eines Streiks ist vorhersehbar

Der EuGH folgte in seinem Urteil vom 06.10.2021 nicht der Rechtsansicht von Eurowings. Wenn bei der Konzernmutter gestreikt wird, müsse damit gerechnet werden, dass sich auch Mitarbeiter:innen von Tochtergesellschaften an der Arbeitskampfmaßnahme beteiligen. Das gelte insbesondere dann, wenn die Gewerkschaft explizit auch Beschäftigte dieser Airline zur Arbeitsniederlegung aufruft. Eurowings könne nicht behaupten, dass man keinen Einfluss darauf habe, wenn Mitarbeiter:innen für bessere Arbeitsbedingungen in den Streik treten. Viel mehr wäre dies bereits im Vorfeld vermeidbar gewesen. Für den Arbeitgeber sei der Ausbruch eines Streiks ein vorhersehbares Ereignis. Daher verfüge er grundsätzlich über die Mittel, sich darauf vorzubereiten und damit dessen Folgen gegebenenfalls abzufangen, so dass die Ereignisse für ihn zu einem gewissen Grad beherrschbar blieben. Eurowings habe aber die Streiks in Kauf genommen.

Nach dieser Entscheidung sind also Streiks des Kabinenpersonals nicht als außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Fluggastrechteverordnung zu beurteilen. Daher ist Eurowings verpflichtet, den Flugpassagieren, Ausgleichsleistungen zu bezahlen.

EuGH, 06.10.2021 - C-613/20

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