EuGH bejaht Ausgleichsleistung bei allgemeinem Ausfall der Treibstoffversorgung

veröffentlicht am 19.09.2022

Eine weitere Entscheidung des europäischen Gerichtshofs zur Fluggastrechte-Verordnung

Bei Flugverspätungen von mehr als drei Stunden und Flugannullierungen haben Passagiere abhängig von der Flugdistanz Anspruch auf eine Ausgleichsleistung von bis zu 600 Euro. Die Airline muss jedoch nicht zahlen, wenn ein außergewöhnlicher Umstand die Annullierung/Verspätung verursacht hat. Als „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne der Fluggastrechte-VO werden Vorkommnisse angesehen, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sind und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind. Sie liegen daher dann vor, wenn sie sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Dies ist vom Luftfahrtunternehmen nachzuweisen.

In einem portugiesischem Vorabentscheidungsverfahren urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass ein allgemeiner Ausfall der Treibstoffversorgung als ein solcher „außergewöhnlicher Umstand“ angesehen werden kann, wenn der Ausgangsflughafen der betroffenen Flüge für die Verwaltung des Treibstoffsystems der Flugzeuge verantwortlich ist. Im konkreten Fall fiel plötzlich und unvorhergesehen das Betankungssystem des Flughafens in Lissabon aus. Mehrere Flüge mussten annulliert werden bzw. hatten Verspätung. Dieser Ausfall, der dazu geführt hatte, dass der gesamte Flugbetrieb dieses Flughafens umorganisiert werden musste, machte es notwendig, auf in der Nähe des Flughafens gelegene Treibstofflager zurückzugreifen.

Tanken als normale Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens?

Ganz grundsätzlich gehört das Betanken eines Flugzeugs mit Treibstoff zur normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens. Somit könnte ein technisches Problem, das beim Betankungsvorgang eines einzigen Flugzeugs auftritt, ein Vorkommnis darstellen, das Teil der normalen Ausübung dieser Tätigkeit ist. Gemäß dem EuGH ist aber zu unterscheiden, ob das Problem mit der Treibstoffversorgung auf einen allgemeinen Ausfall des gesamten Versorgungssystems, das vom Flughafen verwaltet wird, und nicht nur auf das Problem eines einzelnen Flugzeugs zurückzuführen ist.

Ein solches Vorkommnis kann nicht mit einem technischen Problem gleichgestellt werden, das seiner Natur nach auf ein einziges Flugzeug beschränkt ist. Nach Ansicht des EuGHs kann das Problem des Ausfalls des Betankungssystems nicht als untrennbar mit dem Betrieb des konkreten Flugzeugs verbunden angesehen werden und zähle daher nicht zur normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens.

Prüfung, ob die Airline alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, obliegt dem nationalen Gericht

Das Luftfahrtunternehmen, dessen Flug aufgrund eines außergewöhnlichen Umstands eine große Verspätung hatte oder annulliert wurde, muss – um von der Zahlungspflicht befreit zu sein - nachweisen, dass sich dieser Umstand auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die Beurteilung dieser Frage obliegt gemäß dem EuGH dem vorlegenden nationalen Gericht. Das Verfahren geht somit zurück an das portugiesische Bezirksgericht.

EuGH 7.7.2022, C-308/21 (SATA)

CURIA - Dokumente (europa.eu)

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