Deutsche SCHUFA muss Daten aus dem Insolvenzregister nach 6 Monaten löschen

veröffentlicht am 28.12.2023

Wegweisende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu Scoring und Speicherdauer von Bonitätsdaten von Wirtschaftsauskunfteien

Sogenanntes „Creditscoring“ - um die Kreditwürdigkeit von Menschen zu berechnen, sammeln Auskunfteien kontinuierlich persönliche Daten. Ziel ist es dabei, durch das Zusammenführen von Daten aus verschiedenen Quellen Aufschluss über das finanzielle Verhalten von Verbraucher:innen zu gewinnen und so automatisiert eine Einschätzung über deren Kreditwürdigkeit abgeben zu können. Das kann dazu führen, dass bei einem schlechten „Score“ betroffenen Personen Vertragsabschlüsse wie Kredite, Versicherungen, Miete oder Stromlieferverträge verwehrt bleiben.

Wegweisende Entscheidungen des EuGH

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Anfang Dezember zwei wegweisende Urteile in Verfahren gegen die deutsche Wirtschaftsauskunftei SCHUFA gefällt.

Im ersten Fall ging es um die Frage, ob die SCHUFA überhaupt automatisch Kreditscores ausstellen darf – oder ob dies eine in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) weitgehend verbotene “automatisierte Entscheidung im Einzelfall” darstellt.

Im zweiten Fall hatte der Betroffene erfolglos die Löschung von Insolvenzdaten aus der Datenbank der SCHUFA verlangt, nachdem diese bereits aus dem öffentlichen Insolvenzregister gelöscht worden waren.

Erster Fall

Die vollautomatisierte Berechnung der vermeintlichen Kreditwürdigkeit anhand von Algorithmen fällt unter den besonderen Schutz der DSGVO. Diese Bestimmung verbietet mit wenigen Ausnahmen die Verwendung personenbezogener Daten für vollautomatische Entscheidungen, die eine “erhebliche Beeinträchtigung” für betroffene Personen nach sich ziehen.

Bislang war es unklar, ob dieses durch Auskunfteien durchgeführte Scoring, das der Kreditvergabe durch Banken nur zugrunde gelegt wird, aber nicht unmittelbar über die Kreditvergabe selbst entscheidet, unter diese Schutzbestimmung fällt.  Der EuGH bejahte diese Frage und erteilte damit dem Geschäftsmodell der SCHUFA oder anderer Auskunfteien, automatisierte Kreditscores zu erstellen, eine Absage. 

Zweiter Fall

Ebenso verurteilte der EuGH die gängige Praxis der SCHUFA oder anderer Auskunfteien, Insolvenzdaten über die gesetzliche Frist hinaus zu speichern. Nach deutschem Recht müssen Insolvenzdaten aus dem Insolvenzregister spätestens sechs Monate nach Beendigung des Insolvenzverfahrens gelöscht werden. Die Löschung der Insolvenzdaten soll Betroffenen den wirtschaftlichen Neustart ermöglichen. Dennoch speichern die SCHUFA und andere Auskunfteien diese Daten bisher für bis zu drei Jahre, und damit über die gesetzliche Löschfrist hinaus. Die Auskunfteien stufen Betroffene aufgrund der überstandenen Insolvenz regelmäßig als kreditunwürdig ein, was im Alltag der Betroffenen oft finanziellen Problemen führt.

Der EuGH hat nun entschieden, dass die SCHUFA aus dem Insolvenzregister abgegriffene Daten nach sechs Monaten löschen muss.

Auswirkungen außerhalb von Deutschland

Es ist davon auszugehen, dass dieses Urteil auch über die Grenzen Deutschlands hinaus weitreichende Folgen haben wird.  Denn mit diesem Urteil ist das automatisierte Kreditscoring in der jetzigen Form für unzulässig erklärt worden; und zwar für Auskunfteien im ganzen EU-Raum. Für die Berechnung der Kreditwürdigkeit von Menschen werden Auskunfteien wohl künftig eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen einholen müssen.

In Österreich tragen Kreditinstitute zu Zwecken des Gläubigerschutzes und der Risikominimierung negative Zahlungserfahrungsdaten in die „Banken-Warnliste“ ein. Zur Speicherdauer dieser Daten in der Warnliste hat der Verwaltungsgerichtshof 2020 die Verarbeitung von zumindest fünf Jahre zurückliegenden Zahlungserfahrungsdaten in der Bankenwarnliste für zulässig erklärt. Im Insolvenzfall bestünde zumindest bis fünf Jahre nach  Erfüllung des Zahlungsplans ein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung von (wenn auch faktisch veralteten, aber historisch richtigen) Zahlungserfahrungsdaten.

Angesichts der aktuellen Entscheidungen des EuGH wird diese Rechtsprechung wohl nicht mehr haltbar sein.



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