Was ist ein Unfall?

veröffentlicht am 09.02.2019

Körperliche Folgen einer Stress- und Alarmreaktion führen zu keiner Haftung der Unfallversicherung

Ein Wort kann viele Bedeutungen haben, abhängig davon in welchem Kontext dieses verwendet wird. Schlägt man im Duden das Wort „Unfall" nach, so erhält man eine breite Definition: „ein ungewolltes Ereignis, bei dem Menschen verletzt oder getötet werden oder Sachschaden entsteht".
Die Definition eines Unfalls im Sinne des Versicherungsrechts ist da schon konkreter und setzt ein plötzliches, von außen auf den menschlichen Körper wirkendes Ereignis voraus, welches eine unfreiwillige Gesundheitsschädigung zur Folge hat. Was in der Theorie einfach und klar klingt, führt in der Praxis immer wieder zu Streitfällen, wie auch der gegenständliche Fall zeigt.

Der konkrete Sachverhalt

Bei Renovierungsarbeiten in seiner Wohnung bohrte der damals 59 Jahre alte, sportlich aktive Kläger versehentlich eine Gasleitung an, wodurch plötzlich Erdgas ausströmte. Er konnte noch einen Notruf betätigen, bevor er bewusstlos wurde. Bei ihm waren keine medizinischen Symptome feststellbar, die auf eine Sauerstoffunterversorgung durch Verdrängung des Sauerstoffs in der Raumluft durch Gas hindeuteten; aufgrund des Gases war keine organische Schädigung eingetreten. Der Kläger reagierte durch den Gasgeruch aber mit überhöhtem Stress. Diese Angstreaktion führte zu einem Schlaganfall. Der Kläger ist als Folge dieses Geschehens dauerhaft geschädigt; sein Invaliditätsgrad beträgt 100 %. Der Kläger begehrte EUR 600.000 aus der Unfallversicherung.

Es liegt ein Unfall vor. Oder doch nicht?

Ja, es war ein Unfall. So entschieden zunächst die beiden ersten Instanzen und sprachen dem Kläger die EUR 600.000 zu. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof (OGH) mit der Frage zu, ob ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen auch vorliege, wenn die zu einer Verletzung führende körperliche Reaktion auf eine sinnliche Wahrnehmung und nicht auf das den Körper berührende oder beeinträchtigende äußere Geschehen zurückzuführen ist.

Nein, es war kein Unfall. Das entschied in letzter Instanz der OGH und wies das gesamte Klagebegehren ab:

Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung gehört zum Vorliegen eines Unfalls grundsätzlich eine körperliche, wenn auch nur geringfügige, Verletzung des Versicherten. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer geht bei einem Unfall im Regelfall von einer körperlichen Beeinträchtigung aus. Damit zieht der OGH den Schluss, dass im vorliegenden Fall gerade kein „Unfall" im Sinne eines plötzlich von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses stattgefunden hat. Die organischen Schäden wurden nur „durch die psychischen und innerkörperlichen Reaktionen des Klägers auf ein von ihm zwar sinnlich wahrgenommenes, seinen Körper jedoch nicht berührendes oder diesen gar beeinträchtigendes äußeres Geschehen ausgelöst. [...] Die Gefahren einer Stress- und Angstreaktion auf eine äußerlich bleibende (und sich auch nicht verwirklichende) Bedrohung der körperlichen Integrität sind in der Unfallversicherung nicht gedeckt." - so der OGH in seiner Entscheidung.
Das Urteil im Volltext finden Sie www.verbraucherrecht.at..

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