OGH: Keine generalbereinigende Wirkung eines Vergleichs bei Solidarschuldnern

veröffentlicht am 17.05.2015

Schaden durch Fehlberatung

Ein Anleger erlitt wegen einer Fehlberatung beim Erwerb von Wertpapieren einen Schaden und schloss 2010 mit dem verantwortlichen Anlageberater - ein Vertriebspartners der nunmehr beklagten Bank - einen Vergleich. Dadurch wurde ein Teil des Schadens ersetzt.

Der Anlageberater war Erfüllungsgehilfe der Bank, weshalb Erst- und Berufungsgericht eine Zurechnung der Fehlberatung und eine nachfolgende Haftung der Bank für den restlichen Schaden gegenüber dem Anleger bejahten.

Bank wehrte sich

Die beklagte Bank vertrat in der eingebrachten Revision allerdings den Standpunkt, dass bereits der gesamte Sachverhalt des Prozesses Gegenstand des Vergleichs gewesen sei und der Beratungsfehler nicht auf mangelhafte Informationen der Bank zurückgehe.

Das Fehlverhalten des Anlageberaters könne der Bank nur solange zugerechnet werden, bis die Schadenersatzansprüche zwischen den unmittelbar Beteiligten bereinigt seien. Der geschlossene Vergleich hätte somit eine „Gesamtwirkung", andernfalls ja der Bank Regressansprüche gegen den Berater zustehen würden.

Zurückweisung der Revision

Der OGH wies die Revision der beklagten Bank mangels erheblicher Rechtsfrage zurück.

Grundsätzlich haften Erfüllungsgehilfe und Geschäftsherr dem Geschädigten solidarisch. Bei einem Vergleich kommt es auf den Willen der Vertragschließenden an und es bedarf im Einzelfall einer Auslegung, ob der Vergleich auch anderen Mitschuldnern (hier: der Bank) zugutekommen soll bzw. ob der Vergleichsschuldner zumindest vor einem allfälligen Regress geschützt werden soll.

Auslegung des Vergleichsvertrags

Im vorliegenden Fall gibt der Vergleichstext nach Ansicht des OGH keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Haftung der beklagten Bank aufgehoben werden sollte. Insbesondere wurde im Vergleich nicht auf den Prozess des Anlegers gegen die Bank Bezug genommen, der bereits zu diesem Zeitpunkt anhängig war. Dieser Umstand war dem vergleichschließenden Anlageberater damals auch bekannt.

Außerdem gibt es nach Aktenlage keinen Hinweis darauf, dass es Anleger und Berater bei Abschluss des Vergleichs klar war bzw. klar sein konnte, dass dem Kläger noch weitere Schadenersatzansprüche auch gegen die Bank zustehen könnten, sodass laut OGH der Wille der Parteien nicht darauf gerichtet war, eine Haftung der Bank auszuschließen oder aufzuheben.

Die Bank haftet somit als solidarischer Mitschuldner dem Anleger für den durch den Vergleich noch nicht abgedeckten Schaden. Der OGH bestätigt mit dieser Entscheidung seine jüngere Judikatur zur Zurechnung des Anlageberaters zur Bank.


Entscheidung des OGH vom 29.01.2015

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