Lebensmittelspekulationen

veröffentlicht am 22.03.2017

Wie der Hunger, die Börse und die Flüchtlinge zusammenhängen

Krieg, Dürre, Unruhen und negative Umwelteinflüsse können oftmals Gründe für eine mangelnde Versorgung von ganzen Ländern mit den notwendigsten Lebensmitteln sein. Schreckliche Bilder von solchen Katastrophen erreichen uns zu oft; immer wieder müssen in die betroffenen Regionen Hilfslieferungen geschickt werden. Ströme von Menschen, die vor dem Elend und dem sicheren Hungertod flüchten sind logische Folge dieser Nöte; die Bezeichnung „Wirtschaftsflüchtling" in diesem Zusammenhang ein Zynismus.

Profit geht vor Hunger

Was von vielen allerdings nicht gesehen wird, ist der von der Wirtschaft künstlich erzeugte Mangel. Investitionen in die Landwirtschaft stehen bei Geldgebern aus der ganzen Welt hoch im Kurs. Investitionen in Weizen, Mais und Reis, allein aus der Erwartung sie später zu einem höheren Preis verkaufen zu können, sind genauso üblich wie Spekulationen mit Wertpapieren, Aktien, Erdöl oder Gold. Gleichzeitig hungern nach wie vor Millionen Menschen; Hauptursache für die hohe Kindersterblichkeit in den Entwicklungsländern ist der Hunger.

Doch was hat das eine mit dem anderen zu tun? Studien belegen, dass Finanzmarktspekulationen mit Agrarrohstoffen zur gezielten künstlichen Verknappung - somit zu enormen Preissteigerungen und - letztendlich - zu Hungersnöten führen können.

Ein interner Bericht der Weltbank nannte Warenterminspekulationen mit Agrarrohstoffen, neben der Produktion von Agrartreibstoffen, erstmals als wichtigste Ursache der Agrarpreisexplosion. Der spekulative Handel hat gegenüber dem kommerziellen Handel in den letzten Jahren massiv zugenommen; so wurde z.B. 2011 mit der 73-fachen Menge als der tatsächlich verfügbaren Weizenmenge gehandelt.

Halbherzige Regulierungsversuche

Obwohl das Problem klar auf der Hand liegt, konnte sich das EU-Parlament nicht zu strengeren Regeln gegen Nahrungsmittelspekulation durchringen. So wurden zwar in der Finanzmarkt-Richtlinie Regulierungsstandards festgelegt; nach Meinung vieler humanitärer Organisationen und NGOs sind diese Bestimmungen jedoch zu wenig. Immer noch ist es möglich, dass einige wenige Händler einen ganzen Markt unter sich aufteilen und so die Preise festlegen können.

"Die Aufsichtsbehörden müssen ihren Ermessensspielraum nutzen und den Einfluss von Spekulanten auf die Nahrungsmittelpreise beschränken, indem sie angemessene Grenzwerte für Handelspositionen einführen", fordert z.B. Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei Oxfam Deutschland.

Der Feststellung des ehemaligen UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon „Nichts ist so entwürdigend wie Hunger, besonders, wenn er von Menschenhand verursacht ist." ist wohl nichts mehr hinzuzufügen.

Konsumentenfragen Newsletter

Aktuelle Neuigkeiten aus allen Bereichen der Konsumentenfragen