OGH verneint Teilkündigung einer Mietwohnung aufgrund der großen Wohnfläche

Konkrete Nutzung ist entscheidend

Nach 10 Jahren ist vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) ein Verfahren in einer wohl eher ungewöhnlichen mietrechtlichen Angelegenheit zu Ende gegangen: Der beklagte Mieter bewohnte gemeinsam mit seiner Ehefrau eine 162 m2 Wohnung. Als die Ehefrau 2008 verstarb, trat der Ehemann in den Hauptmietvertrag seiner verstorbenen Ehefrau ein. Seither lebt er alleine in dieser Wohnung und benützt alle Räumlichkeiten, wie er dies auch gemeinsam mit seiner verstorbenen Frau tat. Der Beklagte besitzt einige Wertgegenstände und viele Sammlerstücke, darunter insbesondere eine Vielzahl an Porzellan und Glasantiquitäten, antike Möbelstücke, Bilder etc. Sämtliche Zimmer sind voll möbliert.

Die Rechtsgrundlage

Im Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) genießt der Mieter/die Mieterin Kündigungsschutz. Das bedeutet, dass der Vermieter den Vertrag ohne die Einwilligung der/des Mieterin/Mieters nur gerichtlich aufkündigen kann und einen gesetzlichen Kündigungsgrund benötigt. § 30 Absatz 2 MRG zählt auf, wann ein wichtiger Grund vorliegt. Dazu zählt unter anderem auch der Umstand, dass die vermieteten Wohnräume nach dem Tod des bisherigen Mieters nicht mehr einem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen dienen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist der Vermieter zu Teilkündigungen an Räumen oder Flächen, die nicht zu Wohnzwecken dienen, berechtigt.

Der Rechtsweg

Die Vermieterin kündigte mit Klage den Mietvertrag in Bezug auf bestimmte Teilflächen der Wohnung auf: es sei kein Grund dafür ersichtlich, warum eine alleinstehende Person zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses auf eine ca 160 m² große Wohnung angewiesen sein sollte. Die Vorinstanzen bejahten eine Aufkündigung für einen bestimmten Teil der Wohnung und verhielten den Mieter zur Übergabe dieses Wohnungsteils. Der Oberste Gerichtshof gab aber dem Rechtsmittel des Mieters Folge, hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren insgesamt ab.

Einzelfallentscheidung

Für eine Teilkündigung nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG (kein dringendes Wohnbedürfnis der eintretenden Person) ist nach der Judikatur des OGH ein krasses Missverhältnis zwischen der Größe der Wohnung und dem Wohnbedürfnis des Eintrittsberechtigten erforderlich. Dafür sei aber nicht eine abstrakte Beurteilung dahingehend maßgeblich, in welchem Umfang ein „durchschnittlicher" Hauptmieter ein dringendes Wohnbedürfnis an der Wohnung hätte. Vielmehr hätte die Einschätzung im Einzelfall aufgrund der konkreten Situation und der Nutzung durch den Eintretenden sowie der  bei ihm wohnenden Angehörigen zu erfolgen.

Im konkreten Fall bestehe nach Ansicht des OGH ein dringendes Wohnbedürfnis an der gesamten Wohnung, da der Mieter seine Einrichtungsgegenstände, das Inventar und die Wertgegenstände nicht in einer kleineren Wohnung unterbringen könne. Das von der Judikatur geforderte krasse Missverhältnis liege nicht vor.

„Ob ein alleinstehender Eintretender im „Normalfall" die Wohnung in demselben Umfang wie der Beklagte nützen würde, ist für das Vorliegen des - nach den konkreten Umständen zu beurteilenden - dringenden Wohnbedürfnisses nicht maßgebend" - so der OGH in seiner Entscheidung.

Entscheidung des OGH 1 Ob 99/18 im Volltext

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