Billig kaufen und ab in den Müll? Was Politik, Unternehmen und Konsument:innen dringend ändern müssen – Teil 2 

veröffentlicht am 06.02.2023

Ein Beitrag unserer Gastautorinnen Nina Tröger (Bundesarbeitskammer) und Lisa Panhuber (Greenpeace)

Negative Auswirkungen auf Klima und Umwelt

Die globale Textilindustrie ist für mindestens fünf Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Gigantisch ist auch der Wasserverbrauch der Textilproduktion, der mit 93 Milliarden Kubikmeter jährlich in etwa dem doppelten Fassungsvermögen des Bodensees entspricht. Auch am Ende des zu kurzen Lebenszyklus gibt es gravierende Auswirkungen. Nur der geringste Teil entsorgter Kleidung wird recycelt. 2018 wurden in Österreich 170.042 Tonnen Textilabfälle verbrannt und 41.000 Tonnen getragene Kleidung exportiert, aber nur 15.071 Tonnen recycelt. Weltweit wird jede Sekunde eine Lkw-Ladung an Kleidungsstücken verbrannt oder auf einer Mülldeponie entsorgt. Durch die ungehemmte Überproduktion von Kleidung im Kontext von Trends wie Fast Fashion, Saisonmode und den boomenden Online-Versandhandel werden die katastrophalen Auswirkungen der Textilindustrie multipliziert.

Menschenunwürdige Produktionsbedingungen

Der Wissenschaftliche Dienst des EU-Parlaments bezeichnete in einem Bericht die Arbeitsbedingungen in der asiatischen Textilindustrie als Sklaverei ähnlich. Die Clean Clothes Campaign prangert Hungerlöhne, gefährliche Arbeitsplätze, fehlende Jobsicherheit, Verletzung von Arbeiter:innenrechten, Diskriminierung, Kinderarbeit und schlechte gewerkschaftliche Organisation an. Ein:e Textilarbeiter:in erhält durchschnittlich nur etwa 0,6 Prozent des Preises eines T-Shirts als Lohn. In osteuropäischen Ländern, die hauptsächlich für den westeuropäischen Markt produzieren, beträgt der gesetzliche Mindestlohn in der Textilbranche etwa 20 bis 30 Prozent eines existenzsichernden Lohns. Die Arbeitszeiten in der Textilproduktion sind ebenfalls extrem: In einem unlängst von Greenpeace veröffentlichten Bericht über den Ultra-Fast-Fashion-Konzern Shein ist von elf Stunden pro Tag an 29 Tagen im Monat die Rede.

Politik und Unternehmen müssen handeln

Von der Herstellung bis hin zur Entsorgung hat Mode einen großen Einfluss auf Klima und Umwelt. Dazu kommen noch die sozialen Schattenseiten der Textilindustrie. Fast Fashion muss entschleunigt werden, um diese Entwicklungen zu stoppen. Allen voran müssen Politik und die Unternehmen gute Rahmenbedingungen hinsichtlich Langlebigkeit, Reparier- und Recyclingfähigkeit von Textilien schaffen: Die Politik muss für Transparenz und hohe Umwelt- und Sozialstandards sorgen. Hersteller müssen weniger, dafür langlebigere Kollektionen produzieren.

Konsument:innen können ihren Beitrag leisten

Konsument:innen muss vor allem noch bewusster werden, dass die vorhandene Kleidung im eigenen Schrank die nachhaltigste Mode ist. Ziel ist es, Kleidung möglichst lange zu tragen, diese auch mal reparieren (lassen) und/oder Second-Hand einzukaufen. Beim Kauf im Internet sollte gezielt bestellt werden und z.B. digitale Größentools als Unterstützung verwendet werden, damit Retouren reduziert werden. Gewand, das nicht mehr gefällt, sollte möglichst an andere direkt weitergegeben werden, z.B. bei einem Kleidertausch. Kleidung kann natürlich auch gespendet werden, allerdings sollte man darauf achten, was damit passiert (bei vielen Textilsammelboxen wird die Ware weitergehandelt). Gut ist, direkt an karitative Organisationen zu spenden. Kaputte Kleidung soll nie im Restmüll entsorgt werden, dort wird diese verbrannt. Besser ist es, diese jedenfalls zu einer Wertstoffsammelstelle zu geben, damit zumindest noch Dämmmaterial daraus gemacht werden kann.

 Fast-Fashion ist ein Übel, Mehrheit für Lieferkettengesetz

In der gemeinsamen Erhebung von AK und Greenpeace zum Umgang mit Textilien herrscht unter den Befragten Einigkeit darüber, dass Menschen zu viel Kleidung kaufen. Mehr als vier Fünftel stimmen der Aussage zu, die Umwelt werde durch Kleiderüberproduktion massiv belastet und Fast Fashion sei ein großes Übel. Die Zustimmung zu gesetzlichen Regulierungen ist hoch: Neun von zehn Befragten sind für ein Lieferkettengesetz, gleich viele sprechen sich für ein Vernichtungsverbot von Neuwaren aus. Die Befragten sind überwiegend der Meinung, dass Kleidung reparier- und recyclingfähig sein soll und Reparaturen auch gefördert werden sollen.

AK und Greenpeace fordern daher

+ Vernichtungsverbot neuwertiger Textilien: Derzeit wird ein nationales Vernichtungsverbot für neuwertige Textilien diskutiert. Es muss rasch einen Gesetzesentwurf dazu geben.

+ Förderungen für Reparaturdienstleistungen: Für Reparaturdienstleistungen sowie Leih- und Sharingsysteme soll es mehr Förderungen geben. Ressourcen zu sparen, heißt auch, Konsumgüter möglichst lange zu nutzen, dafür braucht es Anreize. Reparaturen müssen einfacher und billiger als ein Neukauf sein. Der Reparaturbonus soll auch auf Textilien ausgeweitet werden.

+ Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit forcieren: Schon im Design sollen stärker umwelt- und klimaverträgliche Kriterien berücksichtigt werden – dazu braucht es eine rasche Umsetzung der Ökodesign-Verordnung und der Textil-Strategie.

+ EU – starkes Lieferkettengesetz: Hersteller:innen und Händler:innen müssen die Stationen ihrer Lieferkette transparent offenlegen und für Menschenrechtsverletzungen, Gesundheitsschäden oder Umweltschäden in der Produktion haften. Der aktuelle Entwurf der EU-Kommission muss nachgebessert werden, auch mittelgroße Unternehmen erfassen und um stärkere Vorgaben für Klimaschutz ergänzt werden.

Die Studie im Detail mit genauen Ergebnissen findet sich hier.

Nina Tröger, © Bundesarbeitskammer
Nina Tröger ist Soziologin und seit 2012 als Konsumforscherin und Referentin in der Arbeiterkammer Wien im Konsumentenschutz tätig. Sie verfolgt/analysiert und untersucht dabei gesellschaftliche Entwicklungsprozesse im Bereich des Konsums, u.a. mit Fokus auf Nachhaltigkeit und sozialer Ungleichheit. Kreislaufwirtschaft – insbesondere die Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten – ist auch im politischen Kontext ein wichtiges Thema.






Lisa Panhuber, © Mitja Kobal greenpeace

Lisa Tamina Panhuber ist seit 2019 Campaignerin und Sprecherin bei Greenpeace Österreich. Ihre Fokusthemen sind umwelt- und klimafreundliche Produktion von Konsumgütern wie Kleidung, Elektronik, Lebensmittel, Kosmetik und deren Verpackung sowie Greenwashing. Sie absolvierte das Masterstudium Socio-Ecological Economics and Policy an der Wirtschaftsuniversität Wien und das Masterstudium Public Communications an der Universität Wien und hat vor ihrer Tätigkeit bei Greenpeace in München, Kambodscha und Wien gearbeitet.


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