Meinungsfreiheit gegen Datenschutz: OGH befindet Lehrerbewertungs-App für zulässig

veröffentlicht am 18.03.2022

Die Lehrerbewertungs-App "Lernsieg", in der Lehrkräfte mit Sternen bewertet werden können, ist zulässig. Das hat nun der Oberste Gerichtshof (OGH) entschieden und beendet damit einen mehrjährigen Rechtsstreit.

Einmal den eigenen Lehrer, die eigene Lehrerin benoten, statt benotet zu werden - die Idee hinter der Lehrerbewertungs-App ist denkbar einfach und mit 400.000 Nutzer:innen (Quelle: lernsieg.at) erfolgreich. Dennoch hat das Konzept von Anfang an polarisiert und eine bewegte Geschichte hinter sich:

Im November 2019 wurde die Lehrerbewertungs-App „Lernsieg“ in sämtlichen App-Stores für Android- und iOS-Handys zum Download bereitgestellt. Mit dieser App konnten Schüler:innen die Leistungen der Lehrkräfte mit bis zu 5 Sternen in Kategorien wie Unterricht, Fairness, Respekt, Motivationsfähigkeit, Geduld, Vorbereitung, Durchsetzungsfähigkeit und Pünktlichkeit bewerten. Um eine Bewertung abzugeben, mussten sie sich mit einer Mobiltelefonnummer, aber nicht mit ihrem Namen registrieren. Wurden weniger als 5 Sterne vergeben, konnten die Mängel in vorgegebenen weiteren Unterkategorien konkretisiert werden, z.B.  dass der Aufbau des Unterrichts nicht spannend genug oder zu langsam ist.

Viel Gegenwind, aber Datenschutzbehörde sieht keinen Verstoß gegen Datenschutzrecht

Die App sorgte für große Aufregung. Die Lehrergewerkschaft hatte datenschutzrechtliche Bedenken geäußert und kündigte an, sämtliche rechtliche Optionen auszuschöpfen, um die App zu verhindern. Noch Ende 2019 beauftragten das Bildungsministerium und die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ein Rechtsgutachten, welches letztlich zum Ergebnis kam, dass der Betrieb der Lernsieg-App durchaus rechtmäßig sein kann. Auch die Datenschutzbehörde hatte Anfang 2020 die App als datenschutzkonform bewertet und das amtswegig eingeleitete Prüfverfahren ohne Erlassung eines Bescheids eingestellt.

Lehrer klagt vor dem Zivilgericht

Neben der amtswegigen Prüfung durch die Aufsichtsbehörde hatten sich auch die Zivilgerichte mit der Datenschutzkonformität der Lernsieg-App auseinanderzusetzen. Ein HTL-Lehrer sah sich in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt und klagte auf Unterlassung. Die ersten beiden Instanzen gaben dem Lehrer (teilweise) Recht. Nachdem bereits das Gericht erster Instanz die Klage abgewiesen hatte, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Wien in zweiter Instanz, dass "Lernsieg" die Nutzung der Daten des Lehrers zu unterlassen hat, solange nicht sichergestellt ist, dass ihn nur Personen bewerten können, die er auch wirklich unterrichtet bzw. unterrichtet hatte. Nun in letzter Instanz hatte der Oberste Gerichtshof zu entscheiden und folgte nicht vorgegangenen Entscheidungen.

Abwägung zwischen den Grundrechten auf Meinungsfreiheit und Datenschutz

Der Oberste Gerichtshof führte eine Abwägung zwischen den Grundrechten des klagenden Lehrers auf Datenschutz, Privatsphäre, Anonymität, Ehre und guten Ruf und dem Grundrecht auf Meinungsäußerung und Informationsfreiheit des App-Betreibers durch. Der OGH sah durchaus das Problem, dass die App gewisse Missbrauchsmöglichkeiten nicht verhindere. Beispielsweise könnten Personen, die die Lehrkraft gar nicht kennen, Bewertungen abgeben. Ein solcher Missbrauch könnte letztlich nur durch eine namentliche Registrierung der Nutzer:innen vermieden werden. Nach Ansicht des OGH würde aber genau das die Meinungsäußerungsfreiheit der Schülerinnen und Schüler einschränken. Die namentliche Registrierung würde Schüler:innen unter Umständen davon abhalten, überhaupt eine Bewertung abzugeben. Der OGH gewichtete die Einschränkung der Rechte des Klägers durch die Missbrauchsmöglichkeit weniger schwer als die Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit, die eintreten würde, wenn sich die Nutzer:innen namentlich registrieren müssten oder wenn eine solche App überhaupt nicht betrieben werden dürfte.

RIS - 6Ob129/21w - Entscheidungstext - Justiz (OGH, OLG, LG, BG, OPMS, AUSL) (bka.gv.at)

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