EuGH stärkt Verbraucherschutzverbände beim Vorgehen gegen Datenschutzverstöße

veröffentlicht am 02.05.2022

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Verbraucherschutzverbände Verbandsklage gegen Unternehmen erheben können, die gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen.

Die Entscheidung basiert auf einer Klage des deutschen Verbraucherschutzverbands, Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv), aus dem Jahr 2012 gegen Meta Platforms Ireland (damals noch Facebook Ireland) unter anderem wegen Verletzung der Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten. Der vzbv beanstandete das Vorgehen von Facebook Irland, über ihre Plattform ihren Nutzer:innen kostenlose Spiele von Drittanbieterfirmen zugänglich zu machen. Klickten Nutzer:innen auf "Spielen", stimmten sie automatisch und unbewusst der Übermittlung diverser Daten an die Firmen zu. Sie wurden weder darüber informiert, welche Daten und zu welchem Zweck diese genau weitergeleitet wurden, noch konnten sie die Weiterleitung ablehnen. Als klagsbefugter Verband ging der vzbv mit Unterlassungsklage gegen Facebook vor. Die Unterlassungsklage hatte in erster und zweiter Instanz Erfolg. Das Verfahren ging bis obersten Gericht in Deutschland, dem Bundesgerichtshof (BGH).

Änderung der Rechtslage durch die DSGVO

Im Jahr 2018 trat die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft. Durch die Änderung der Rechtslage hegte der BGH nun Zweifel an der Klagsbefugnis des Verbraucherschutzverbandes. Die DSGVO sieht eine Option für Mitgliedstaaten vor, Verbandsklagen auch ohne Auftrag der Betroffenen unter bestimmten Bedingungen zu regeln. Deutschland hatte seine allgemeine Regelung zur Verbandsklagsbefugnis anlässlich der DSGVO nicht geändert. Facebook wandte nun ein, dass die neue DSGVO einer so weitgehenden Klagsbefugnis betreffend Datenschutzrechtsverstöße entgegenstehe.  Der BGH hielt es für möglich, dass es primäres Ziel der DSGVO wäre, die Prüfung von DSGVO-Verstößen in erster Linie den Aufsichtsbehörden zu übertragen und die Klagsbefugnis vor den Zivilgerichten ohne Beauftragung Betroffener nur eingeschränkt zuzulassen. Er legte diese Rechtsfrage daher dem Europäischen Gerichtshof vor.

Ziel der DSGVO ist die Gewährleistung eines hohen Datenschutzniveaus

Mit seinem kürzlich ergangenen Grundsatzurteil stärkte der EuGH die effektive Durchsetzbarkeit von Datenschutzverstößen durch Verbraucherschutzverbände entscheidend. Ziel der DSGVO sei es, „ein hohes Niveau des Schutzes personenbezogener Daten zu gewährleisten“. Es könne von einem Verbraucherschutzverband nicht verlangt werden, dass er Personen, die in ihren Rechten verletzt sind, im Voraus individuell zu ermitteln hat. Es müsse daher keine konkrete Rechtsverletzung nachgewiesen werden, sondern es reiche aus, dass der Verband davon ausgeht, dass Verbraucher:innen durch eine Datenverarbeitung in ihren Rechten verletzt sind. Die allgemeine Verbandsklagsbefugnis steht daher nicht im Widerspruch mit der DSGVO. Diese weite Auslegung der DSGVO sieht der EuGH auch durch die Richtlinie über repräsentative Klagen aus 2020 bestätigt. Diese soll den Rechtsschutz für Verbraucher:innen weiter verbessern, indem zukünftig Verbände nicht nur auf Unterlassung eines Rechtsverstoßes klagen, sondern auch die daraus folgenden konkreten Rechte der betroffenen Verbraucher:innen (z.B. Gewährleistung oder Schadenersatz) geltend machen können. Diese Richtlinie bezieht sich konkret auch auf Rechtsverletzungen der DSGVO. Diese Richtlinie ist von den Mitgliedstaaten bis 2023 umzusetzen.

Die heutige Entscheidung beendet nun die Debatte um die Datenschutzklagsbefugnis von Verbraucherverbänden. Mit diesem Urteil ist klar: neben einer Beschwerde bei der Datenschutzbehörde können Verbände wie der vzbv aus Eigenem – also ohne Auftrag der Betroffenen - auch Klage bei Gericht wegen Datenschutzverletzungen einbringen.

Link zum Urteil: CURIA - Dokumente (europa.eu)

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