Digitale Selbstoptimierung: Selfie-Bearbeitungs-Apps auf dem Prüfstand

veröffentlicht am 11.03.2022

Ein Klick und die Falten sind geglättet, die Pickel verschwunden. Ein Wisch und die Lippen sind voller, die Nase kleiner, die Augen strahlender. Nie war es so einfach, sein Gesicht vermeintlich zu verschönern oder kleine Makel verschwinden zu lassen.

Mit Beauty-Apps und Filtern werden Gesichter und Körper zur Gleichförmigkeit optimiert, quasi die Schönheits-OP per Klick, schmerzfrei und kostengünstig. Das Thema Schönheit und Selbstoptimierung ist auf sozialen Medien allgegenwärtig und vor allem für Jugendliche selbstverständlich. Laut Jugend-Internet-Monitor 2021 (= eine jährliche Erhebung von Saferinternet.at zur Social-Media-Nutzung von Österreichs Jugendlichen) sind zwei Drittel der Jugendlichen der Meinung, dass jedes gepostete Bild bearbeitet wurde, 57 Prozent finden Bildbearbeitung wichtig.

Der große Ausverkauf der Daten

Das Verlangen nach digitaler Schönheit und Perfektion wirft nicht nur ethische und gesellschaftspolitische Fragen auf, sondern auch datenschutzrechtliche. Sehr oft verfügen die Apps über kostenlose Basisversionen, Upgrades für mehr Funktionen sind um wenig Geld zu haben. Das eigentliche Geschäft machen die Anbieter solcher Apps also oft nicht über den Verkauf ihrer Apps, sondern mit dem Sammeln und Verkaufen der durch die Nutzung der Apps entstandenen Daten. Das zeigt auch eine Untersuchung des deutschen Verbraucherschutzportals mobilsicher.de, das sechs der beliebtesten Selfie-Bearbeitungs-Apps unter die Lupe genommen hat:

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Was passiert mit den aus den hochgeladenen Fotos generierten Daten?

Bevor die App das digitale Make-up aufträgt oder die Größe von Nase, Mund oder Augen verändert, wird das Gesicht auf dem hochgeladenen Foto (oder Video) analysiert. Dabei kommt bei einigen Apps Software zum Einsatz, die individuelle Merkmale des Gesichts erhebt: beispielsweise die Maße von Augen, Mund und Nase und ihren jeweiligen Abstand zueinander.

Mit solchen biometrischen Merkmalen können Gesichter auch auf anderen Bildern und außerhalb der ursprünglichen Anwendung maschinell identifiziert werden. Das ist datenschutzrechtlich relevant, denn bei biometrischen Daten handelt es sich um sogenannte sensible Daten, für deren Erhebung und Verarbeitung eine ausdrückliche Zustimmung der Nutzer:innen eingeholt werden muss.  Und genau zu diesem Punkt machen nicht alle Apps genaue Angaben: laut Untersuchung sind es bei FaceApp „künstliche neuronale Netze“, die das Gesicht untersuchen, Photo Lab möchte „nötige Schlüsselpunkte auf dem Gesicht finden“ und bei YouCam MakeUp ist von „Gesichtsmerkmalsvektoren“ die Rede.  Einzig Perfect365 nennt biometrische Daten explizit als Daten, die erfasst werden können. Der Anbieter der App BeautyPlus hingegen gibt an, keine solche Daten zu generieren und der Anbieter von Facetune2 verspricht, biometrische Daten nur lokal auf dem Gerät zur Gesichtserkennung zu nutzen.

Weitergabe von Daten zu Werbezwecke

Wenig überraschend haben alle geprüften Apps Kontakt zu Drittanbietern aus den Bereichen Werbung, Marketing oder Nutzeranalyse. Alle Apps versenden dabei unter anderem eine Werbe-ID, also eine Kennung, wodurch die Informationen aus der App-Nutzung einem bestehenden Personenprofil zugeordnet werden können. Hinzu kommt, dass sich in den Apps zahlreiche Werbe-Tracker finden ließen, wodurch Daten an Google, Facebook und Co. weitergeleitet werden. In Kombination mit den Werbe-IDs lässt sich dann dort ein sehr detailliertes Bild über jede:n einzelne:n Nutzer:in verknüpfen.

Als Negativbeispiel wird die App Perfect365 genannt. In dieser Datenschutzerklärung zählt der Anbieter 20 Datensätze wie Name, Emailadresse, biometrische Informationen, Bankdaten, Kauf- und Konsumgewohnheiten und vieles mehr auf, die an Werbetreibende verkauft werden. Bei App-Start erscheint zwar ein Einwilligungsmenü, konkrete Datentypen und die Verarbeitungszwecke werden nicht genannt.

Bei der App Youcam MakeUp aus Taiwan werden alle in der App geteilten Informationen – wie z.B. über den Hautzustand (Pickel, Unreinheiten, T-Zone) - für Werbezwecke genutzt und ebenfalls an Dritte weitergegeben. Zwar wird in der Erklärung die Weitergabe von Namen, E-Mail-Adressen, Fotos und Videos an Werbepartner ausgeschlossen. Die Werbe-ID wird aber zumindest an Facebook (Meta) weitergegeben, sodass dieser die App-Nutzungsdaten mit dem Social-Media-Profil verbinden kann.

Fazit

Grundsätzlich, so mobilsicher.de, sollte man von Perfect365, YouCam MakeUp und Facetune2 die Finger lassen. Zusätzlich wird empfohlen, einen Tracking-Blocker wie Blokada zu installieren. Dadurch wird der Kontakt zu bekannten Werbenetzwerken verhindert.

Ab Android 12 kann die Werbe-ID sogar gelöscht werden, um personalisierte Anzeigen und das Erstellen eines Profils zu verhindern. Wie das geht, finden Sie hier

Wir empfehlen, sich zu fragen, ob man wirklich Bedarf hat, so eine App zu nutzen, oder nicht eigentlich ganz zufrieden sein kann mit seinem Aussehen!

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