Online-Marktplatz Temu auf dem Prüfstand

veröffentlicht am 30.06.2025

Asiatische Online-Marktplätze gewinnen zunehmend an Beliebtheit, rücken aber damit gleichzeitig stärker in den Fokus europäischer und nationaler Konsumentenschützer:innen.

Plattformen wie Temu und Shein sind in Österreich, besonders bei jungen Konsument:innen, sehr beliebt. Eine aktuelle Studie der JFU im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich zeigt, dass 41 % der Österreicher:innen in den letzten zwölf Monaten bei einer asiatischen Plattform eingekauft haben. Junge Konsument:innen shoppen dort fast so oft wie beim etablierten Riesen Amazon. 

Anteil von Temu & Co steigt rasant, ebenso die Zahl der Fake-Shops: WKÖ Trefelik warnt vor ungesunder Entwicklung - WKO

Die Verlockung ist groß: extrem günstige Preise, ein schier endloses Sortiment und bequemes Online-Shopping. Doch dieser Trend wirft aus Verbraucherschutzsicht viele, auch rechtliche, Fragen auf.

Koordinierte Aktion

Seit Anfang November 2024 läuft eine vom Europäischen Netzwerk der Verbraucherbehörden gemeinsam mit der Europäischen Kommission koordinierte Aktion zu dem Online-Marktplatz Temu. Im Fokus der Ermittlungen stehen potenzielle Verstöße gegen EU-Verbraucherrecht, darunter:

  • Fehlende Kontaktmöglichkeiten: Konsument:innen haben Schwierigkeiten, den Online-Marktplatz direkt zu kontaktieren.
  • „Gamification“-Praktiken: Nutzer:innen werden durch simulierte Glücksräder und falsche Gewinnversprechen auf die Plattform gelockt.
  • Irreführende Informationen zu Rechtsansprüchen: Es mangelt an klaren und korrekten Informationen über Widerrufsrechte, Rücksendungen und Kaufpreiserstattungen bei Fernabsatzverträgen.
  • Manipulative Dringlichkeit: Aussagen über vermeintlich begrenzte Verfügbarkeit und Countdown-Timer drängen Konsument:innen zu ungewollten und überstürzten Kaufentscheidungen.
  • Unechte Verbraucherbewertungen: Es fehlen Informationen über Mechanismen, die die Echtheit veröffentlichter Rezensionen sicherstellen sollen.
  • Falsche Rabatte: Es werden vermeintliche Sonderangebote beworben, die de facto nicht existieren.

Temu nunmehr auch im Visier des Verbraucherbehördennetzwerkes

VKI klagt Temu

Nun geht auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums gegen Temu vor und hat eine Verbandsklage beim Handelsgericht Wien gegen die Betreiberin von Temu eingebracht. Die Klage richtet sich insbesondere gegen mögliche Verstöße gegen den Digital Services Act (DSA), die nun gerichtlich geprüft werden sollen. Konkret geht es um zwei Hauptpunkte:

  • Mangelnde Transparenz der Empfehlungssysteme:
    Temu führt zwar Faktoren wie Kauf- und Suchverlauf als Einflussgrößen an, bleibt aber konkrete Angaben zur Gewichtung und Wirkung dieser Kriterien schuldig. Konsument:innen bleibt somit unklar,  auf Basis welcher Kriterien die Produkte angezeigt werden.
  • Fehlende Schutzmaßnahmen für Minderjährige:
    Trotz massiver Werbung auf Plattformen wie TikTok, die eine überproportional junge Zielgruppe ansprechen, fehlt eine ausreichende Altersabfrage. Dies bedeutet, dass Minderjährige ohne Hürden gefährliche Produkte wie Faltmesser kaufen oder auch verstörende oder sexualisierte Inhalte einsehen und erwerben können.

Zusätzlich steht der Vorwurf im Raum, dass Temu gegen das österreichische Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz, das unter anderem das Widerrufsrecht bei Online-Käufen regelt, verstoßen haben könnte.

Temu in der Praxis: Was bedeutet das für Verbraucher:innen?

Wer bei Temu bestellt, muss sich bewusst sein, dass Temu lediglich als Plattform agiert, auf der Anbieter ihre Waren zum Verkauf anbieten können. Ein Kaufvertrag kommt dementsprechend nicht mit dem Betreiber von Temu, sondern mit dem jeweiligen Anbieter zustande, der das Produkt über Temu anbietet. Eine derartige Konstellation macht die Rechtsdurchsetzung in aller Regel sehr schwierig. Retouren können kompliziert, kostenintensiv oder gar unmöglich sein. Die Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen ist, im Gegensatz zu europäischen Händlern, wo klare Regeln gelten, schwierig bis aussichtslos.

Fazit

Ein Einkauf auf Plattformen wie Temu mag auf den ersten Blick verlockend erscheinen. Doch bei aller Attraktivität solcher Angebote sollte man sich der möglichen Konsequenzen bewusst sein. Ob mangelhafte Qualität, unklare Datenschutzpraktiken, problematische Produktionsbedingungen oder eingeschränkte Verbraucherrechte – all diese Aspekte werfen berechtigte Fragen auf. Wer sich für einen Kauf entscheidet, sollte dies mit dem Wissen um diese Rahmenbedingungen tun und abwägen, ob der kurzfristige Preisvorteil den möglichen Nachteilen langfristig standhält. Und nicht zuletzt ist auch der bei diesen Plattformen übliche Einzelversand mit Luftfracht ökologisch zu hinterfragen.

 

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