Des Obersten Gerichtshofs Gespür für Schnee

veröffentlicht am 07.01.2015

Inuit und ÖsterreicherInnen

Inuit (bzw. „Eskimos") sollen der Legende nach ja viele Wörter für Schnee haben. Dem/der durchschnittlichen Österreicher/in fehlt diese Unterscheidungsfähigkeit, was vermutlich auch daran liegt, dass Schnee - vor allem im Osten des Landes - ein relativ seltenes Ereignis darstellt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn hierzulande für mehrere Schneephänomene oft nur ein Begriff vorhanden ist. Ein kürzlich entschiedener Rechtsstreit zeugt davon.

Ruhende Schneemassen

Dabei ging es darum, was unter dem versicherungstechnischen Begriff der „ruhenden Schneemassen" zu verstehen ist. Der Sturmversicherungsvertrag, den eine Versicherungsnehmerin für ihr Haus und ihren Schuppen in Hanglage abgeschlossen hatte, beinhaltete in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) u.a. die Klausel „Versicherte Gefahren und Schäden: Schneedruck: Schneedruck ist die Krafteinwirkung durch natürlich angesammelte ruhende Schnee- oder Eismassen."

Rechtsstreit

Zu Beginn des Jahres 2012 führten massive Schneefälle zu einer hohen Belastung der Gebäude, insbesondere des Schuppens, durch die angefallenen Schnee- bzw. Eismassen. Innerhalb einer auf einem Hang angefallenen Schneedecke kam es immer zu Kriechbewegungen von einigen Millimetern pro Tag. Dies führte schließlich dazu, dass die Wand des Schuppens eingedrückt wurde, weshalb die Versicherte den Schaden bei ihrer Versicherung geltend machte.

Diese lehnte eine Übernahme des Schadens ab, da er nicht durch Schneedruck, somit nicht durch ruhende Schneemassen, sondern durch in Bewegung geratenen Schnee verursacht worden sei, was laut den AGB nicht gedeckt ist. Die Versicherte ließ nun gerichtlich klären, ob hinsichtlich des Schadens Versicherungsschutz gegeben ist.

Der OGH entscheidet

Der Fall ging schließlich bis zum OGH, für den die Frage entscheidend war, was der/die durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer/in unter „ruhenden Schneemassen" versteht. Für diese/n ist laut OGH auch eine Schneedecke auf einem Hang, die üblichen und kontinuierlichen Kriech- und Gleitbewegungen von wenigen Millimetern pro Tag unterliegt, eine ruhende Schneemasse. Es besteht daher Versicherungsschutz, da der Schaden durch die natürlich auf dem Hang angesammelten „ruhenden" Schneemassen und nicht durch eine merkbar in Bewegung geratene Schneeschicht - wie zum Beispiel bei einem spontanen Abrutschen - verursacht worden ist.

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