OGH zur Vertragsauslegung bei Fremdwährungskrediten

veröffentlicht am 26.05.2017

Kein Mindestzinssatz in Höhe des Aufschlags, aber auch nicht weniger als 0% Zinsen

Der OGH hatte jüngst zu entscheiden, ob es möglich sein soll, dass Kreditinstitute, die Fremdwährungskredite vergeben hatten, "Negativzinsen" akzeptieren müssen, und damit statt Zinsen zu bekommen, Zinsen zahlen müssten.

Die von den VerbraucherInnen zu zahlenden Zinsen bestehen nämlich aus dem Wert eines Indikators (bei Fremdwährungskrediten meist der LIBOR oder auch der EURIBOR; zu jenen Zinssätzen refinzieren sich die Banken) und einem Aufschlag. Da die Indikatoren seit einiger Zeit Negativwerte bis fast 0,5% aufweisen, geht den Banken dieser Teil der Zinsen verloren. Oder Anders: wenn der Aufschlag auch nur 0,5% gewesen wäre, würde es sich nicht mehr um ein entgeltliches Geschäft handeln; im Fall eines noch größeren Negativwerts des Indikators stellt sich die Frage, ob die Bank ihren KundInnen Zinsen zahlen müsste.  

Vertrag ist nach dem Parteiwillen entgeltlich

Im ersten Fall richtete die Bank - um klarzustellen, dass es nach ihrer Auffassung keinen negativen Vertragszinssatz geben könnte - ein Schreiben an ihre KundInnen, in dem sie bekannt gab, dass dieser bei negativem Indikator auf maximal 0,00001% sinken könnte.

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums und verlor den Prozess.

Der OGH stellte fest, dass "mit dem Begriff Kreditvertrag ein Konsensualvertrag bezeichnet wurde und wird, bei dem die Willenserklärungen der Parteien darauf gerichtet sind, dass Geld gegen Rückzahlung zu vereinbarten Konditionen übergeben wird... In keinem Fall rechnet ein Kreditnehmer – gemessen am Maßstab eines redlichen Erklärungsempfängers – bei Vertragsabschluss damit, zu irgendeinem Zeitpunkt während der Kreditlaufzeit Zahlungen vom Kreditgeber zu erhalten."

Zwar hatte der Oberste Gerichtshof auch die Unzulässigkeit der Nullverzinsung von Spareinlagen damit begründet, dass verzinsliche Spareinlagen typischerweise Vermögensbildungs- und Gewinnerzielungsfunktion haben. Eine Nullverzinsung widerspräche diesen elementaren und gesetzlich angelegten Zwecken einer Spareinlage diametral. Dem VKI war es aber auch darum gegangen, zu verhindern, dass - wie dies andere Banken versuchten - den Mindestvertragszinssatz in der Höhe des Aufschlags zu vereinbaren, so dass dieser eben nicht bis NUll sinken konnte.

Kein Parteiwille zu einem bestimmten Mindestzinssatz

Im zweiten Fall "begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Bank bezüglich seiner Kreditverhältnisse nicht berechtigt sei, den für die Höhe des variablen Kreditzinssatzes relevanten Indikator bei negativer Entwicklung von Referenzzinssätzen mit Null anzusetzen.

Er brachte im Wesentlichen vor, die beklagte Bank habe angekündigt, den Referenzwert bei einem negativen Indikator mit Null anzusetzen und ihm damit den gesamten Zinsaufschlag zu verrechnen. Mit der eigenmächtig angedrohten Maßnahme weiche die beklagte Partei von der getroffenen Vereinbarung ab und schädige sein Vermögen. Zur Klärung der Rechtslage sei er zur Klagsführung genötigt."

Der OGH bestätigte die Ansicht des Berufungsgerichts, "dass aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Kreditvertrags von keiner Vertragslücke auszugehen ist, weshalb auch keine zu ergänzende Unvollständigkeit des Vertrags vorliegt ... Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Vertragszweck ergibt sich, dass die beklagte Bank mindestens den Aufschlag als Sollzinsen verlangen kann. Ein derartiger Mindestzinssatz würde sich hier somit mit dem tatsächlichen Parteiwillen in Widerspruch setzen, ...Die Vertragsparteien haben die Chancen und Risiken zukünftiger Schwankungen der Finanzierungskosten vielmehr bewusst durch die Bindung des Sollzinssatzes an den Referenzzinssatz geregelt ...  Der Kreditnehmer, der einer Zinsänderungsklausel zustimmt und keinen Fixzinssatz wünscht, geht - auch für den Kreditgeber erkennbar - von einer symmetrischen Verteilung von Chancen und Risiken aus. Dem kann auch nicht die Höhe der Refinanzierungskosten der Bank entgegengehalten werden, zumal diese dem Kläger weder offengelegt wurde noch bekannt sein musste."

Erster Fall: Urteil im OriginaltextZweiter Fall: Urteil im Originaltext

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