Zwei EuGH-Entscheidungen zu Fluggastrechten

Ausgleichsleistung bei Verspätung

Der Sommer naht und damit auch die Reisezeit - ein guter Zeitpunkt, um über zwei für KonsumentInnen interessante EuGH-Urteile zu Fluggastrechten zu berichten. In beiden Fällen hatte der EuGH über die Berechtigung von Ausgleichsleistungen bei Verspätung von Flügen zu entscheiden.

Wann stehen KonsumentInnen solche Ausgleichsleistungen zu?

Bei Nichtbeförderung (z.B. durch Überbuchung), Annullierung oder großen Verspätungen von Flügen haben betroffene Fluggäste Anspruch auf Rückerstattung des Flugpreises oder auf schnellstmögliche anderweitige Beförderung zum Endreiseziel.
Außerdem muss die Fluglinie die Fluggäste während der Wartezeiten betreuen und ggf. notwendige Ausgaben ersetzen. Bei Überbuchung, Annullierung und Verspätungen von mind. 3 Stunden haben Fluggäste zusätzlich Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsleistung - abhängig von der Länge der Flugstrecke - zwischen 250,- und 600,- Euro.
Fluglinien müssen jedoch keine Ausgleichszahlungen leisten, wenn die Verspätung oder Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist und diese auch durch Ergreifen aller ihr zumutbaren Maßnahmen nicht hätten verhindert werden können. Dies kann beispielsweise bei politischen Unruhen oder Naturkatastrophen der Fall sein. Jedoch müssen Fluglinien auch in solchen Fällen die betroffenen Passagiere betreuen und unterstützen.

EuGH Fall 1 Verspätungen wegen Umsteigeflügen innerhalb der EU

Im konkreten Fall buchten die Fluggäste bei Air Berlin bzw. bei Iberia Flugreisen von Spanien nach Deutschland, die jeweils aus zwei Flügen bestanden (nämlich Ibiza - Palma de Mallorca - Düsseldorf im Fall von Air Berlin und Melilla - Madrid - Frankfurt am Main im Fall von Iberia), wobei die Buchungen jeweils die gesamte Reise umfassten. Die jeweils erste Teilstrecke wurde nicht von diesen Fluggesellschaften selbst, sondern von deren spanischem Partner Air Nostrum abgewickelt.

In beiden Fällen verspäteten sich diese ersten, innerspanischen Flüge, was zur Folge hatte, dass die Fluggäste ihren Anschlussflug nach Deutschland verpassten. Die Fluggäste kamen mit bis zu 13 Stunden Verspätung in Deutschland an. Sie wollten von Air Nostrum eine Ausgleichszahlung und klagten in Deutschland. Die deutschen Gerichte hatten Zweifel, ob deutsche Gerichte zuständig sind für Klagen von Fluggästen gegen eine Fluggesellschaft,

  1. die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat,
  2. im Rahmen von aus mehreren Teilstrecken bestehenden Flugreisen mit Endziel in Deutschland nur die Flüge auf der jeweils ersten Teilstrecke innerhalb des anderen Mitgliedstaats durchgeführt hat und
  3. nicht der Vertragspartner der betreffenden Fluggäste ist.

Mit seinem Urteil vom 07.03.2018 stellt der Gerichtshof fest, dass das Endziel in Deutschland nicht nur für den zweiten Flug, sondern auch für den ersten, innerspanischen Flug als Erfüllungsort der zu erbringenden Dienstleistungen angesehen werden kann. Bei einheitlicher Flugbuchung können die KundInnen Ausgleichszahlungen wegen Flugverspätung also wahlweise an ihrem Abflugs- oder Ankunftsort gerichtlich geltend machen.

EuGH Fall 2 Streik ist nicht automatisch ein außergewöhnlicher Umstand

Anfang Oktober 2016 kündigte TuiFly Management Pläne zur Umstrukturierung des Unternehmens an. Daraufhin kam es zu zahlreichen Krankmeldungen. Durch diese spontane Abwesenheit eines erheblichen Teils des Flugpersonals konnten viele Flüge nur mit großer Verspätung bzw. gar nicht durchgeführt werden. Die betroffenen Fluggäste machten Ausgleichsleistungen nach der Fluggastrechte-VO geltend. TUIfly sah in dem „wilden Streik" (eine Differenzierung, die das deutsche Gesetz macht) einen außergewöhnlichen Umstand und lehnte die Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechte-Verordnung ab.

EuGH stellt wiederholt klar, dass der Streik zwar außergewöhnliche Umstände begründen kann, aber nicht muss: Außergewöhnliche Umstände, die das Unternehmen von seiner Entschädigungspflicht befreien, liegen nur dann vor, wenn das Vorkommnis seiner Natur oder Sache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Unternehmens ist und es von ihm tatsächlich nicht beherrschbar ist. Ob diese beiden Bedingungen erfüllt sind, ist von Fall zu Fall zu beurteilen.

Im konkreten Fall urteilte der EuGH, dass Umstrukturierungen zu den normalen betriebswirtschaftlichen Maßnahmen eines Unternehmens gehören, dabei wäre es auch nicht ungewöhnlich, dass es in dem Zusammenhang zu Konflikten mit der Belegschaft kommen kann: "Die Risiken, die sich aus den mit solchen Plänen einhergehenden sozialen Folgen ergeben, sind als Teil der normalen Ausübung des Betriebs eines Unternehmens zu sehen.", so der EuGH. Zusätzlich sah der EuGH den Ausfall des Personals durch die danach erzielte Einigung mit diesem als beherrschbar an.
 
Ob ein Streik nach dem einschlägigen nationalen Recht rechtmäßig ist oder nicht, wurde nicht in Frage gestellt, denn das würde bewirken, dass der Anspruch von Fluggästen auf Ausgleichszahlung von den nationalen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats abhängen würde. Das würde das Ziel der Verordnung beeinträchtigen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen.

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