Das Geschäft mit den Genen

Umstrittene Gentests aus dem Internet

Es klingt verlockend - man schickt eine einfache Speichelprobe ein und erhält per Post sein eigenes detailliertes Gen-Profil. Weltweit sind die verschiedensten Formen von Gentests in Umlauf: von diagnostischen Tests, die bei ersten Krankheitssymptomen zum Einsatz kommen, über prognostische Tests, die feststellen, ob eine erbliche Veranlagung für gewisse Krankheiten vorliegt, bis hin zu Lifestyle-Gentests, mit deren Hilfe zu einem gesunden Lebensstil verholfen werden soll. Und der Markt ist offenbar vorhanden - rund 23 Millionen Tests wurden bisher weltweit verkauft. Das US-Service 23andMe, als einer der größten Anbieter, bietet ein DNA-Analyse-Kit um rund 200 Dollar an. Es wirbt damit, den - mittels Speichelprobe ermittelten - genetischen Fingerabdruck mit 96 Krankheiten abzugleichen. Zudem wird die Wahrscheinlichkeit, in Zukunft an bestimmten Krankheiten zu erkranken, ermittelt.

Gentests aus dem Internet boomen mittlerweile auch in Europa. In den Medien werden sie heftig diskutiert. Fragwürdige Ergebnisse und mangelnder Datenschutz sind die Hauptkritikpunkte.


Kritikpunkt Nr. 1: Problematische Diagnostik

Die Ergebnisse der Tests sind wissenschaftlich fragwürdig. Die untersuchten Genvarianten weisen nach Aussagen medizinischer ExpertInnen nur eine geringe Aussagekraft auf und bieten mit einigen wenigen Ausnahmen für die meisten Erbkrankheiten therapeutisch keine Lösung.

In dem einen oder anderen Fall kann durch Vorsorgemaßnahmen das Auftreten einer Erkrankung verzögert oder verhindert werden. Für PatientInnen aber bedeutet dies in der Regel, dass sie von Erkrankungswahrscheinlichkeiten erfahren, ohne dass diese kurativ behandelt werden können. Umgekehrt bedeutet ein unauffälliger Genbefund aber nicht unbedingt, dass man von Erkrankungen verschont bleibt. Erbliche Veranlagungen sind nicht alles. Umwelteinflüsse und die persönliche Lebensführung sind für die Gesundheit ebenso ausschlaggebend.

Da die bei den meisten Genanalysen verpflichtende individuelle genetische Beratung vor und nach Durchführung einer genetischen Analyse bei Gentests aus dem Internet in der Regel nicht erfolgt, können solche Ergebnisse zu großen Verunsicherungen führen.


Kritikpunkt Nr. 2: Intransparenter Datenschutz

Ein zentraler Punkt in der öffentlichen Diskussion ist die Frage, was mit den Daten passiert. Genetische Daten sind hochsensible Informationen. In Österreich und der Europäischen Union ist durch die Datenschutz-Grundverordnung einheitlich streng geregelt, welche Daten unter welchen Voraussetzungen gespeichert, verarbeitet und weitergegeben werden dürfen bzw. gelöscht werden müssen.

Medizinische Gentests benötigen nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen, wie auch nach dem österr. Gentechnikgesetz, eine schriftliche Einverständniserklärung der Betroffenen. Getestet darf also nur das werden, wozu die/der Patient/in zugestimmt hat. Problematisch wird es dann, wenn der Transfer von Gendaten aus Europa in die USA erfolgt, denn viele Anbieter, die auch nach Europa werben, haben ihren Sitz in den USA. Hier soll das sogenannte Privacy Shield, ein Datenschutzabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA, als Garant für die Berücksichtigung europäischer Datenschutznormen bei Datenübermittlungen in die USA dienen.

Anbieter wie beispielsweise 23andMe informieren sehr allgemein über den Datenschutz und versprechen derzeit noch, keine Information mit Dritten zu teilen, die eine Person individuell identifizierbar macht. Wer sich aber ein Genprofil erstellen lässt, willigt ein, dass seine DNA-Struktur anonymisiert für Forschungszwecke verwendet werden kann. Einfluss darauf, wer zu welchen Zwecken an unseren eingeschickten Speichelproben forscht, haben wir nicht.


Fazit?

Der Wert dieser Gen-Profile ist jedenfalls gigantisch. Und die Betreiber der Tests kassieren gleich zweimal.

Über die Auswirkungen der Forschung können wir nur spekulieren. Wir wissen nicht, welche Unternehmen dadurch Wettbewerbsvorteile erlangen könnten. Dass sich die Kenntnisse aus Millionen von Gentests aber auf die Preise von Medikamenten oder Versicherungsangeboten auswirken wird, ist wohl ziemlich sicher.

Die Betreiber von Gentests im Internet machen also nicht nur ein Geschäft mit den Zukunftsängsten der Menschen, sondern beeinflussen auch ganz wesentlich die Entwicklung ganzer Branchen.

Das sollte uns bewusst sein, wenn wir unsere Daten zur Verfügung stellen!

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