Gesetzliche Bestimmungen zum Fernabsatz gelten auch während eines Lockdowns

veröffentlicht am 28.09.2022

Auch ein temporärer Umstieg eines Unternehmens auf Fernabsatz während des Lockdowns ändert nichts an der Anwendbarkeit der gesetzlichen Bestimmungen zum Fernabsatz.

Verbraucher:innen können grundsätzlich ohne Angabe von Gründen binnen 14 Tagen von im Fernabsatz geschlossenen Verträgen zurücktreten. Unter einem Fernabsatzvertrag versteht man vereinfacht gesprochen jeden Vertrag, den Verkäufer:in und Käufer:in unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels wie Brief, Telefon, Internet oder E-Mail miteinander abschließen ohne aufeinander zu treffen. Das heißt jeder im Internet, am Telefon oder im Versandhandel abgeschlossene Vertrag zwischen Unternehmen und Verbraucher:innen ist ein Fernabsatzvertrag, von dem man in der Regel zurücktreten kann  - im Gegensatz zu jenen Verträgen, die in regulären Geschäften abgeschlossen werden.

„Für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem“

Das Gesetz legt auch fest, dass ein Fernabsatzvertrag „im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems“ geschlossen werden muss. Das bedeutet, das Unternehmen muss seinen Vertrieb organisatorisch auf einen regelmäßigen Absatz per Distanzgeschäft (Fernabsatz) ausgerichtet haben. Darunter fallen jedenfalls Onlineshops, Callcenter, Warenkatalogen mit Bestellkarten und Teleshopping. Nicht als Fernabsatzgeschäft gilt damit der Fall der „Ausnahme“: Etwa jener, in dem die Händler/der Händler ausnahmsweise eine Bestellung per Telefon entgegennimmt und die Ware nicht im Ladenlokal übergibt, sondern versendet.

Bestellung per Mail

Die Frage, wann ein solches „für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem“ vorliegt, hat in den vergangenen Jahren bereits mehrfach die Gerichte beschäftigt. So hatte sich nun auch der Oberste Gerichtshof im vorliegenden Fall mit dieser Frage auseinander zu setzen:

Während des ersten Lockdowns im April 2020 kaufte der Konsument einen Whirlpool. Der Kauf wurde nach Besichtigung des Whirlpools über auf der Website des Unternehmens zur Verfügung stehende virtuelle Tools per Mail abgewickelt. Im November 2020 trat der Konsument vom Vertrag zurück. Das Unternehmen lehnte den Rücktritt mit der Begründung ab, es liege kein Fernabsatzvertrag vor. Lediglich Zubehör könne man über den Webshop bestellen. Für den Verkauf von Whirlpools verfüge das Unternehmen über kein organisiertes Vertriebssystem. Eine Bestellung von Whirlpools übers Internet sei nicht möglich.

Umstieg auf Fernabsatz im Lockdown

Tatsächlich verkauft das konkrete Unternehmen im Normalfall Whirlpools nur vor Ort nach persönlicher Besichtigung. Als aber im März 2020 wegen der COVID-19-Pandemie Kund:innen das Betreten von Betriebsstätten untersagt wurde, reagierte das Unternehmen darauf, indem es sogenannte „Bullaugen“ (Grafik mit Buttons) sowie einen virtuellen 3-D Rundgang zur Website hinzufügte. Das Unternehmen instruierte seine Verkäufer:innen, Verkaufsgespräche mit den Kund:innen so zu führen, als ob diese vor Ort wären, insbesondere während des Telefonats eine gemeinsame Durchführung eines  3D-Rundgangs.

Entscheidung des OGH

Sowohl das Erstgericht wie auch Berufungsgericht gingen von einem Fernabsatzvertrag aus und sahen den Rücktritt des Verbrauchers somit als zulässig an. Nach Ansicht der Gerichte reiche es aus, wenn der Vertrieb teilweise auf den regelmäßigen Absatz per Distanzgeschäft ausgerichtet ist. Dass der Vertragsabschluss standardisiert über einen Webshop erfolgt, ist nicht erforderlich. Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und hatte sich zusätzlich mit der Frage auseinander zu setzen, ob die gesetzlichen Vorgaben zum Fernabsatz während gesetzlicher Betretungsverbote uneingeschränkt gelten. Die im ersten Lockdown geltenden behördlichen Anordnungen hätten ja eine persönliche Anwesenheit von Käufer:innen und Verkäufer:innen nicht möglich gemacht. Ein gesetzliches Rücktrittsrecht bestehe nicht, wenn ein Ferngeschäft nur in einem Ausnahmefall abgewickelt werde.

Der OGH folgte dieser Argumentation nicht und sah in der Notwendigkeit, den Vertrieb aufgrund des COVID-19-Lockdowns auf Fernabsatz umzustellen, keine Ausnahme von den gesetzlichen Bestimmungen und vom damit verknüpften Rücktrittsrecht.

 

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